Microsoft word - degam benefit schweinegrippe 26-07-2009 12pt.doc
Der folgende Text „Schweinegrippe: Neue Empfehlungen der DEGAM“ steht in Kürze auf der neuen Webseite http://www.degam.de/H1N1.html zur Verfügung. Dort finden Sie auch weitere Infos und Links zu verschiedenen Institutionen und Ländern sowie den Landesgesundheitsämtern.
die neue Influenza A (H1N1) ist bislang für die große Mehrheit der Infizierten milde verlaufen. Sie breitet sich allerdings auch in Deutschland rasch aus, so dass es wohl nur noch eine Frage der Zeit ist, bis wir ähnliche Größenverhältnisse bekommen wie in Großbritannien. Dort sind allein letzte Woche schätzungsweise 55.000 neue Fälle aufgetreten. Für Ende August wird damit gerechnet, dass rund 9% aller Beschäftig-ten wegen der Infektion ihrem Arbeitsplatz fernbleiben.
Wie die beiliegende Ausgabe Nr. 27/2009 des vom RKI herausgegebenen Epidemio-logischen Bulletins zeigt (s. besonders Tab. 1), kann bei den Stadien der Entwicklung und Ausbreitung der pandemischen Welle
frühes Stadium (1) und Stadium des anhaltenden Anstiegs (2) unterschieden werden.
• Der Übergang zwischen diesen epidemiologischen Stadien ist fließend.
„Das frühe Stadium 1 ist epidemiologisch durch das Auftreten einzelner Fälle defi-niert, die auf eine Einschleppung aus einem betroffenen Land/einer betroffenen Re-gion, auf kurze Infektionsketten mit bekanntem Ursprung oder begrenzte Ausbrüche in der Allgemeinbevölkerung als Ursache zurückgeführt werden können. Stadium 2 ist charakterisiert durch das häufige Auftreten von Fällen in der Allgemeinbevölke-rung, die auf eine anhaltende und zunehmende autochthone Übertragung schließen lassen“ (Epidemiol. Bull. 27-2009). Offensichtlich befinden wir uns gerade im Übergang bzw. am Beginn des Stadiums 2, so dass die bisherigen Ratschläge (bei jedem Verdachtsfall eine Diagnostik [PCR von Abstrichen aus Nase und Rachen] und bei bestätigten Fällen die Behandlung mit Neuraminidasehemmern) modifiziert werden sollten. Nach allen uns vorliegenden Berichten aus hausärztlichen Praxen im ganzen Land gestalten sich Diagnostik so-wie Transport der Proben außerordentlich umständlich und zeitaufwändig.
Wenn die Schulen nach den Ferien wieder öffnen, sich die Infektion - insbesondere unter Schulkindern - massiv ausbreiten dürfte und die Praxen überfüllt sein werden, kann es durchaus sein, dass dieser Aufwand in bestimmten Regionen nicht mehr geleistet werden kann. Der beiliegende Algorithmus empfiehlt daher, mit diagnosti- schen Untersuchungen je nach regionaler Ausdehnung der H1N1-Übertragung un- terschiedlich zu verfahren (siehe unter Punkt Diagnostik)
Im Folgenden listen wir – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf, welche Entwick- lungen mit hausärztlicher Relevanz sich heute darstellen. Wir haben uns dabei nach bestem Wissen an verfügbaren nationalen und internationalen, wissenschaftlichen Quellen orientiert, geben aber aus Platzgründen keine Literaturzitate an. Jede Lese- rin und jeder Leser ist eingeladen, sich über die Links auf http://www.degam.de/H1N1.html selbst ein Bild machen. Epidemiologie
• Die ins Auge fallende Besonderheit der aktuellen epidemiologischen Situation
ist die rasche Ausbreitung von Influenza A (H1N1 09) in den Sommermonaten. Die Kontagiosität der Infektion ist unverändert deutlich höher als die der sai-sonalen Influenza A (Kinder > Erwachsenen). Die WHO hat bereits seit etli-chen Tagen die Fallzählungen eingestellt, weil die reelle Zahl weitaus höher liegt als die Meldungen bestätigter Infektionen suggerieren. Beispielsweise wurde Anfang Juli für die USA geschätzt, dass sich mehr als eine Million Men-schen angesteckt haben – bestätigt wurden seinerzeit aber nur rund 25.000 Fälle. Ähnliche Verhältnisse sind für alle anderen Länder anzunehmen.
• Die Anzahl der weitaus zuverlässiger gemeldeten, bisherigen Todesfälle (991
verstorbene Patienten bei weltweit rund 160.000 offiziell bestätigten Fällen; Zahlen vom 26. Juli 2009) deutet an, dass die klinischen Verläufe z.Zt. milde ausfallen. Ob diese Situation im kommenden Winter und bei sehr viel höheren Fallzahlen auch so bleibt, ist jedoch ungewiss (bei früheren Pandemien wur-den solche initial milden Verläufe von Phasen mit höherer Letalität abgelöst). Mögliche genetische Veränderungen des Virus stellen ein potentielles Risiko dar, zu dem auch Experten keine sichere Vorhersage treffen können. Für Großbritannien wird z.Zt. im schlimmsten Falle mit einer Letalität von 0,35% gerechnet, wenn 30% der Bevölkerung infiziert wären (entspräche 65.000 To-te [verglichen mit ca. 6.000 Todesfällen in einer normalen Grippesaison]).
Im Gegensatz zum saisonalen Influenzavirus sind beim neuen Influenzavirus (H1N1 09) andere Personengruppen von schweren Verläufen betroffen: vor allem
Kinder und jüngere Menschen, insbesondere solche mit pathologischem Über-gewicht [BMI >30] sowie Patienten mit definierten Risikofaktoren i.S. chronischer
Erkrankungen und Schwangere speziell im zweiten bzw. dritten Trimenon (s. Al-
Vorgehen in der Praxis
• Wenn Sie von einem Patienten mit entsprechenden Beschwerden (meist
plötzliches Fieber, Atemwegsbeschwerden und Gliederschmerzen) oder des-sen Angehörigen angerufen werden, sollten Sie dazu raten, nicht in die Praxis zu kommen. Über die Indikation eines Hausbesuches sollten Sie auf Grundla-ge der Kenntnisse des Patienten und seiner Familie, des geschätzten Schwe-regrades und der Belastung der Praxis entscheiden.
• Es ist u.U. ratsam, einen Hinweis an der Außentüre der Praxis anzubringen
mit der Bitte, dass sich Patienten mit Fieber oder anderen möglichen Grippe-symptomen per Klingel oder telefonisch melden mögen. Auch erwägenswert ist die Organisation einer „Grippesprechstunde“ am Ende der normalen Öff-nungszeiten.
• Wenn ein möglicherweise betroffener Patient bereits in der Praxis ist, sollte er
in einen Raum gebracht werden, der abseits von Wartezimmer und Patienten-strom liegt.
• Sowohl Patient als auch Praxispersonal müssen Schutzmasken tragen, die
etwa alle zwei Stunden (bzw. bei fühlbarer Durchfeuchtung) erneuert werden sollten. Für das Praxispersonal werden zusätzlich Handschuhe, Schutzkittel und ggf. Schutzbrille empfohlen. Falls möglich, einen Meter Mindestabstand zum Patienten halten.
• Patienten, die sich krank fühlen bzw. Fieber / Atemwegsbeschwerden entwi-
ckeln, sollten vorsichtshalber zunächst zu Hause bleiben.
• Die wichtigste Maßnahme zur Prävention einer Ansteckung ist die häufi- ge Händedesinfektion (auch nach Ausziehen der Handschuhe). Bei der Wahl eines Präparates sollten Sie sich an der beigelegten Desinfektionsmittel-Liste der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie orientieren.
• Husten nicht mit vorgehaltener Hand, sondern in den Ärmel.
• Händeschütteln tunlichst unterlassen
• Eine positive Reiseanamnese ist – trotz der jüngsten Einschleppungen aus
Spanien/Mallorca – kein zuverlässiges Identifikationsmerkmal.
• Ärztinnen und Ärzte, die selbst einen Risikofaktor aufweisen (s. unter Behand-
lung), sollten nicht in die Betreuung/Behandlung von betroffenen Patienten in-volviert werden!
• Die Adresskoordinaten der Landesgesundheitsämter finden Sie unter
http://www.degam.de/H1N1.html. Diagnostik Bei der diagnostischen Testung empfehlen wir folgendes Vorgehen:
o Verzichten Sie auf Influenza-Schnelltests (keine gute Aussagekraft)
o Führen Sie die vorgesehenen Abstriche aus Nase und Rachen insbesondere
bei Schwerkranken und Personen mit Risikofaktoren durch (s. Algorithmus und Behandlung).
o Führen Sie nur dann keine Abstriche mehr durch, wenn in Ihrer Region be-
reits eine ausgedehnte H1N1-Ãœbertragung erfolgt und die Testung bei massi-
vem Patientenandrang unmöglich ist. Diese Empfehlungen können – je nach Entwicklung der Situation - im Laufe der nächsten Wochen und Monate geändert werden Behandlung
• In-vitro-Experimente und klinische Erfahrungen bei schwer erkrankten Pa-
tienten zeigen, dass das neue Virus auf Neuraminidasehemmer empfind-lich ist. Belastbare wissenschaftliche Daten zur klinischen Effektivität die-ser Substanzen gibt es u.W. aber nicht. Unter kritischer Abwägung der bis-herigen Erfahrungen und der Risiken einer Resistenzentwicklung (s.u.) er-scheint es uns aber dennoch ratsam, Personen mit definierten Risikofakto-ren bzw. Schwangerschaft mit oralem Oseltamivir / Tamiflu® zu behan-deln. Die Therapie mit dem nur über Inhalation applizierbaren Zanamivir / Relenza® ist sehr viel umständlicher und sollte z.Zt. speziellen Situationen vorbehalten werden. Die medikamentöse Behandlung kann eine pandemi-sche Ausbreitung des neuen Virus nicht stoppen, sondern verfolgt alleine das Ziel, die Zeit bis zum Vorliegen einer Impfung zu überbrücken.
Ist ein Patient jeglichen Alters klinisch schwer erkrankt, erkennbar an
o Atemnot und/oder
o Hypoxämie und/oder
o hypovolämischem Schock und/oder
o Verwirrtheit,
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