Society Bulletins · Gesellschaftsmitteilungen
Transfus Med Hemother 2006;33:528–543DOI: 10.1159/000096293
Empfehlungen zur Thrombozytentransfusion der Thrombozyten-Arbeitsgruppe der DGTI, GTH und DGHO*
a Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald,b Abteilung Transfusionsmedizin, Universität Rostock,c DRK Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen, Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie Mannheim,d DRK Blutspendedienst NSTOB, Institut Dessau,e Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn,
fKlinik für Hämatologie und Onkologie, Charite Campus Virchow, Berlin, Deutschland
Einleitung
Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten(Hämotherapie) dargestellt und werden hier nicht gesondert
Die im Folgenden zusammengefassten Empfehlungen zur
behandelt. Da bisher nur für die wenigsten Fragestellungen
Thrombozytentransfusion wurden von einer Arbeitsgruppe
zur Thrombozytentransfusion randomisierte klinische Studien
aus Mitgliedern von drei medizinischen Fachgesellschaften er-
vorliegen, wurden bei bestimmten Indikationen auch Fallbe-
arbeitet. Das methodische Vorgehen und die Darstellung der
obachtungen und Laborstudien herangezogen.
Ergebnisse entsprechen dem Vorgehen der ACCP-Guidelines
Die Kennzeichnung des Grads der Empfehlung und des Evi-
zur Thromboseprophylaxe und -therapie [1, 2]. Die in einer
Medline-Recherche gefundenen Arbeiten zu diesem Thema
– Grad-1-Empfehlungen: Der Nutzen für den Patienten
seit 1990, einschließlich Reviews und Empfehlungen von
überwiegt eine mögliche Gefährdung.
Fachgesellschaften anderer Länder, wurden zur Erarbeitung
– Grad-2-Empfehlung: Es liegen keine klaren Studienergeb-
der Empfehlungen herangezogen. In Ausnahmefällen wurden
nisse über das Nutzen/Risiko-Verhältnis vor. Die Angaben
auch frühere Publikationen einbezogen. In einigen Fällen ba-
zur Qualität der Empfehlungen (Kategorien) beruhen auf
sieren die Empfehlungen auf eigenen Erfahrungen und wur-
den entsprechend begründet. Einzelne Kapitel der Empfeh-lungen wurden von jeweils einem Mitglied der Arbeitsgruppefederführend erarbeitet und dann von der gesamten Arbeits-
Indikation
gruppe in mehreren gemeinsamen Sitzungen im Detail über-arbeitet. Die Empfehlungen wurden dann von den Vorstän-
den der drei Fachgesellschaften überprüft und von weiterenExperten aus anderen Fachgebieten ergänzt. Am Ende jedes
Thrombozytentransfusionen werden zur Prophylaxe und The-
Abschnitts und des Artikels wurden Empfehlungen ausge-
rapie von thrombozytär bedingten Blutungen eingesetzt. Die
sprochen, die in Tabelle 1 zusammengefasst sind. Indikatio-
Indikationsstellung ist abhängig von Thrombozytenzahl und
nen für die Bestrahlung von Blutprodukten sind in den Richt-
-funktion, der Blutungsneigung, dem Blutungsrisiko sowie der
linien der Bundesärztekammer zur Gewinnung von Blut und
Grunderkrankung, wobei der Blutungsneigung die größte Be-deutung zugeschrieben wird. Nach WHO wird die Blutungs-neigung in 4 Stärken eingeteilt: – Grad 1: kleinere Hämatome, Petechien, Zahnfleischbluten;
*Diese Leitlinien wurden von den Vorständen der DGTI, GTH und
– Grad 2: Blutungen, die keine Transfusion von Erythrozy-
DGHO sowie A. Salama, Berlin, und folgender Expertengruppe der
DGHO: D. Bunjes, Ulm; A. Ganser, Hannover; H. Hempel, Ulm; W. Hid-
– Grad 3: transfusionsbedürftige Blutungen;
demann, München; H. Ostermann, München; M. Schrappe, Kiel; E. Sei-fried, Frankfurt; H. Wandt, Nürnberg, nochmals geprüft und ergänzt.
– Grad 4: organ- oder lebensbedrohliche Blutungen.
Prof. Dr. med. Andreas GreinacherInstitut für Immunologie und Transfusionsmedizin
Tel. +49 3834 8654-79, Fax -89E-mail greinach@uni-greifswald.de
Tab. 1. Empfehlungen zur Thrombozytentransfusion Indikation Blutungsprophylaxe Wir empfehlen Thrombozytentransfusionen bei Patienten mit lang andauernder, vermutlich therapierefraktärer Thrombozytopenie bei
Thrombozytenwerten <5000/µl oder bei klinisch manifesten Blutungen Grad 3 oder Grad 4.
Wir empfehlen Thrombozytentransfusionen bei Patienten mit lang andauernder, vermutlich therapierefraktärer Thrombozytopenie vor
Wir empfehlen Thrombozytentransfusionen bei Patienten mit Immunthrombozytopenien nur im Fall von bedrohlichen Blutungen
Wir empfehlen, bei Patienten mit hämolytisch urämischem Syndrom und bei Patienten mit thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura
Thrombozyten nur bei schwerwiegenden Blutungen (WHO-Grad 4) zu transfundieren.
Wir empfehlen Thrombozytentransfusionen bei Patienten mit Sepsis und Verbrauchskoagulopathie bei bedrohlichen Blutungen.
Wir empfehlen prophylaktische Thrombozytentransfusionen bei Erwachsenen mit akuter Leukämie ab einem Thrombozytenwert von
≤10 000/µl oder bei manifesten Blutungen.
Wir empfehlen, Kindern mit akuter Leukämie, bei denen kein erhöhtes Verletzungsrisiko vorliegt, prophylaktisch erst ab einem
Thrombozytenwert von ≤10 000/µl oder bei manifesten Blutungen Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen, bei Patienten nach Knochenmark- oder Stammzelltransplantation ohne Komplikationen, z.B. schwere Graft-versus-host-
Reaktion oder Mukositis, Cystitis usw. erst bei einem Thrombozytenwert von ≤10 000/µl oder bei manifesten Blutungen prophylaktisch Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen, bei Patienten mit soliden Malignomen ohne Blutungsrisiko bei einem Thrombozytenwert ≤10 000/µl oder bei manifesten
Blutungen prophylaktisch Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen, vor allogener Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation die Gabe von Thrombozytenkonzentraten von
Blutsverwandten des Empfängers oder des Transplantatspenders oder von Blutsverwandten des Spenders unbedingt zu vermeiden.
Wir empfehlen, Patienten mit nicht onkologischen/hämatologischen Erkrankungen und Patienten mit onkologischen Erkrankungen mit
zusätzlichen zu Blutungen prädisponierenden Risikofaktoren (Tab. 3) bei einem Thrombozytenwert von <20 000/µl prophylaktisch Thrombozyten zu transfundieren. Invasive diagnostische EingriffeWir raten davon ab, vor Knochenmarkbiopsie Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen, vor einer Lumbalpunktion die Thrombozytentransfusion bei Werten ≤50 000/µl. Bei vitaler Indikation kann die
Lumbalpunktion auch bei niedrigeren Werten durchgeführt werden.
Wir empfehlen, vor transjugulärer Leberpunktion bei einer Thrombozytenzahl von <10 000/µl Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen, vor transkutaner Leberpunktion bei einer Thrombozytopenie <50 000/µl Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen, vor Gelenkpunktionen bei einer Thrombozytopenie <20 000/µl Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen, vor größeren zahnärztlichen Eingriffen bei einer Thrombozytopenie <30 000/µl Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen bei gastrointestinaler Endoskopie mit Biopsieentnahme die Thrombozytentransfusion bei einer Thrombozytopenie <20 000/µl.
Wir empfehlen zur Durchführung einer transbronchialen Biopsie einen Thrombozytengrenzwert von 50 000/µl. 1C
Wir empfehlen vor Durchführung einer Angiographie, sofern die Angiographie nicht zur Diagnostik eines akuten arteriellen thrombotischen
Ereignisses durchgeführt wird, bei einer Thrombozytenzahl von <20 000/µl eine prophylaktische Thrombozytengabe.
Operative EingriffeWir empfehlen vor kleineren operativen Eingriffen eine präoperative Thrombozytengabe bei Vorliegen einer thrombozytären Blutungsneigung
oder bei Thrombozytenzahlen ≤20 000/µl.
Wir empfehlen vor Durchführung von großen operativen Eingriffen eine unmittelbar präoperative Thrombozytengabe bei
Wir empfehlen vor Eingriffen mit einem sehr hohen Blutungsrisiko eine unmittelbar präoperative Thrombozytengabe bei
Thrombozytenzahlen von <70 000–100 000/µl.
Wir empfehlen nach kardiochirurgischen Eingriffen die Thrombozytengabe bei verstärkten postoperativen Blutungen und bei
Unterschreiten einer Thrombozytenzahl von 20 000/µl.
Wir empfehlen die Thrombozytentransfusion vor Durchführung einer Epiduralanästhesie bei Thrombozytenwerten <80 000/µl und vor
Spinalanästhesie bei Thrombozytenwerten <50 000/µl. Tabelle 1 Fortsetzung siehe nächste SeiteTab. 1. Fortsetzung LeberinsuffizienzWir empfehlen die prophylaktische Thrombozytengabe bei Patienten mit akuter Leberinsuffizienz bei Thrombozytenwerten von <20 000/µl 1Coder beim Auftreten von klinisch relevanten Blutungen.
Wir empfehlen die Thrombozytengabe bei Patienten mit chronischer Leberinsuffizienz beim Auftreten von Blutungskomplikationen
oder prophylaktisch zur Vorbereitung von diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen bei Thrombozytenwerten < 20 000/µl. Thrombozytentransfusion zur Behandlung der akuten BlutungWir empfehlen im Fall von transfusionspflichtign Blutungen eine Thrombozytengabe bei <100 000 Thrombozyten/µl. 2C
Wir empfehlen bei nichttransfusionspflichtigen Blutungen die Gabe von Thrombozyten nur, wenn durch andere Maßnahmen keine
ausreichende Blutstillung erreicht werden kann und die Gefahr einer klinischen Verschlechterung besteht. Auswahl der Thrombozytenkonzentrate zur Transfusion Wir empfehlen, bei nichtimmunisierten Patienten die Auswahl des Thrombozytenkonzentrats (A-TK oder BC-TK) von der Verfügbarkeit
Wir empfehlen, bei immunisierten Patienten das HLA- bzw. das HPA-Antigenmuster bei der Auswahl der Thrombozytenkonzentrate
Eröffnete Thrombozytenkonzentrate dürfen nicht gelagert werden
Wir empfehlen, der AB0-identischen den Vorzug vor der AB0-ungleichen Thrombozytentransfusion zu geben.
Wir empfehlen, bei Rhesus-negativen Patienten Thrombozyten von Rhesus-negativen Spendern einzusetzen.
Wir empfehlen, bei Transfusion von Rhesus-D-positiven Thrombozyten bei Rhesus-negativen Patientinnen vor der Menopause eine
Management des refraktären PatientenWir empfehlen, bei Patienten ohne ausreichenden Thrombozytenanstieg (Inkrement) zunächst frische, AB0-kompatible
Thrombozytenkonzentrate zu transfundieren und das jeweilige Inkrement zu bestimmen.
Wir empfehlen, refraktäre Patienten nur bei klinisch manifester Blutungsneigung (WHO-Grad 3 und 4) mit Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen, bei Verdacht auf einen immunologisch bedingten Refraktärzustand gegenüber Thrombozytentransfusionen im Rahmen einer 1C+Erstuntersuchung nach HLA-Klasse-I-spezifischen Antikörpern im Serum des Patienten zu suchen.
Wir empfehlen, für die Untersuchung auf HLA-Klasse-I-Antikörper einen komplementunabhängigen Test zu verwenden.
Wir empfehlen, bei nachgewiesenen HLA-Antikörpern und ineffektiven HLA-kompatiblen Thrombozytentransfusionen zusätzlich nach
plättchenspezifischen Alloantikörpern (HPA-Antikörpern) zu suchen.
Wir empfehlen bei nachgewiesenen HLA-Antikörpern die Bestimmung der HLA-A- und HLA-B-Antigene des Patienten zur Spenderauswahl.
Wir empfehlen, bei nachgewiesenen HLA-Klasse-I-Antikörpern HLA-kompatible Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen, bei zusätzlich nachgewiesenen HPA-Antikörpern, HLA- und HPA-kompatible Thrombozyten zu transfundieren.
Wir empfehlen für die Durchführung einer serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) von Thrombozyten die Anwendung eines
komplementunabhängigen Testsystems unter Verwendung von Thrombozyten als antigenes Substrat.
Wir raten davon ab, bei blutenden transfusionsrefraktären Patienten zusätzlich zu Thrombozytenkonzentraten i.v. IgG oder
Überprüfung des TransfusionserfolgsWir empfehlen, bei einer akuten Blutung zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Thrombozytengabe den klinischen Parameter «Sistieren 2Cder Blutung» einzusetzen.
Wir empfehlen bei immunisierten Patienten die Überprüfung des Transfusionserfolges anhand des Inkrements.
CMV-sichere ThrombozytenkonzentrateWir empfehlen bei Verwendung leukozytendepletierter Thrombozytenpräparate keine weitere Berücksichtigung des CMV Antikörper-
Status des Thrombozytenkonzentratspenders. Diese Empfehlung steht im Widerspruch zu dem derzeit in den Richtlinien zur Bluttransfusion geforderten Vorgehen bei CMV-negativen Stammzellempfängern nur CMV-negativ getestete Thrombozytenkonzentrate zu transfundierenFetale und neonatale AlloimunthrombozytopenieWir empfehlen bei einem Neugeborenen mit Verdacht auf FNAIT und Blutungsgefahr (Thrombozyten <30 000/µl reifes Neugeborenes,
<50 000/µl Frühgeborene) die prophylaktische Transfusion von HPA-1a- und HPA-5b-negativen Thrombozyten.
Wir empfehlen, sollten HPA-1a, und HPA-5b negative Thrombozyten nicht ohne Zeitverzögerung verfügbar sein, bei Thrombozytenwerten 2C<30 000/µl oder Blutung zunächst unausgewählte Thrombozyten zu transfundieren.
Wir raten davon ab, blutungsgefährdete Neugeborene mit Verdacht auf FNAIT nur mit i.v. IgG zu behandeln.
Wir empfehlen, bei bekannter Immunisierung der Mutter und FNAIT mit Blutungsgefahr (Thrombozyten <30 000/µl reifes Neugeborenes,
<50 000/µl Frühgeborene) prophylaktisch HPA-kompatible Thrombozyten zu transfundieren.
Greinacher/Kiefel/Klüter/Kroll/Pötzsch/Riess
Tab. 2. Bewertung des Grades der Empfehlungen
randomisierte, kontrollierte Studien ohne
starke Empfehlung, die für die meisten Patienten ohne
keine randomisierten, kontrollierten Studien,
starke Empfehlung, die für die meisten Patienten ohne
randomisierte, kontrollierte Studie mit gravierenden
starke Empfehlung die wahrscheinlich für die meisten
mittelstarke Empfehlung, erscheint plausibel, kann sich aber ändern, wenn bessere Daten vorliegen
randomisierte, kontrollierte Studien ohne methodische
mittelstarke Empfehlung, abhängig vom individuellen
Einschränkungen aber mit unterschiedlichen
Patienten kann ein anderes Vorgehen besser sein
randomisierte, kontrollierte Studie mit gravierenden
schwache Empfehlung, abhängig vom individuellen
Patienten kann ein anderes Vorgehen besser sein
sehr schwache Empfehlung, abhängig vom individuellen Patienten kann ein anderes Vorgehen besser sein
Wir empfehlen Thrombozytentransfusionen bei Patienten mitlang andauernder, vermutlich therapierefraktärer Thrombo-
Bisher liegen nur für Patienten mit hämatologisch-onkologi-
zytopenie, bei Thrombozytenwerten < 5000/µl oder bei kli-
schen Erkrankungen Daten aus kontrollierten klinischen Stu-
nisch manifesten Blutungen Grad 3 oder Grad 4.
dien vor [3–5]. Für alle anderen Patientengruppen basiert die
Empfehlung auf Kasuistiken und Expertenempfehlungen.
Wir empfehlen Thrombozytentransfusionen bei Patienten mit
Alle publizierten Studien belegen, dass durch die prophylakti-
lang andauernder, vermutlich therapierefraktärer Thrombo-
sche Transfusion nur geringgradige Blutungen vom WHO
zytopenie vor chirurgischen Eingriffen.
Grad 1 und 2, nicht aber schwere Blutungen vom WHO-Grad
Patienten mit einem erhöhten Thrombozytenumsatz
Blutungsprophylaxe bei hämatologisch-onkologischen Patienten
Nach klinischen Kriterien können diese Patienten in 4 Grup-
Zu dieser Gruppe gehören Patienten, die eine Thrombozyto-
penie als Folge einer immunologischen oder nichtimmunolo-gischen thrombozytären Umsatzsteigerung entwickeln.
Patienten mit chronischer Thrombozytopenie (Gruppe A)
Bei Patienten mit Immunthrombozytopenien ist die Throm-
Zu dieser Gruppe gehören Patienten mit dauerhafter Throm-
bozytentransfusion aufgrund des pathophysiologischen Me-
bozytopenie (z.B. aplastisches Syndrom, myelodysplastisches
chanismus wahrscheinlich nicht sinnvoll. Eine therapeutische
Syndrom oder hereditärer Thrombozytopenie).
Thrombozytengabe wird nur zur Behandlung bedrohlicher
Bei ambulanten Patienten mit aplastischer Anämie wurden
Blutungen (WHO-Grad 4) empfohlen. In diesen Fällen wird
folgende Transfusionstrigger festgelegt und der klinische Ver-
bis zur Blutstillung oft eine hohe Dosierung an Thrombozyten
benötigt. Gleichzeitig sollte eine Begleittherapie wie z.B. hoch
– Thrombozytenzahl < 5 000/µl und wöchentliche Kontrolle,
dosierte Glukokortikoide (2 mg Prednisolon/kg Körperge-
– Thrombozytenzahlen < 10 000 /µl nach kürzlich zurücklie-
wicht (KG)) und/oder Immunglobuline (1g/kg KG/Tag an
gender Blutung oder Fieber über 38 °C bzw. Transfusion
zwei aufeinander folgenden Tagen) [7] eingeleitet werden. Bei
bei mehr als 10 000/µl bei Blutungsereignissen Grad 3 oder
lebensbedrohlichen Blutungen kann die Gabe von rekombi-
4 nach WHO oder vor kleineren chirurgischen Eingriffen
nantem aktiviertem Faktor VII (rFVIIa) versucht werden.
Wir empfehlen Thrombozytentransfusionen bei Patienten mit
Die so mit Thrombozyten transfundierten Patienten haben
Immunthrombozytopenien nur im Fall von bedrohlichen Blu-
keine bedrohlichen Blutungskomplikationen entwickelt. Stu-
dien, die die vereinzelt geübte Praxis belegen, nur bei Blutun-
gen bzw. bei höheren Thrombozytenzahlen (als 5000/µl) zu
Bei Patienten mit hämolytisch urämischem Syndrom, throm-
botisch-thrombozytopenischer Purpura (TTP) oder medika-
Tab. 3. Risikofaktoren für das Auftreten von Blutungen bei Thrombozy-
Wir empfehlen, Kindern mit akuter Leukämie, bei denen kein
erhöhtes Verletzungsrisiko vorliegt, prophylaktisch erst ab
Infektionen und anderen Komplikationen (Graft-versus-host-
einem Thrombozytenwert von ≤10 000/µl oder bei manifesten
Blutungen Thrombozyten zu transfundieren.
Klinische Zeichen der Hämorrhagie (z.B. petechiale Blutungen)
Bei Patienten mit Knochenmarktransplantation liegen nur
Plasmatische (prohämorrhagische) Gerinnungsstörung
wenige Studien zur prophylaktischen Thrombozytentransfu-
sion vor. Blutungen sind bei diesen Patienten häufig auf zu-
sätzliche Komplikationen zurückzuführen (z.B. Mukositis,
Gleichzeitige Therapie mit Medikamenten, die die Thrombozytenfunk-tion hemmen (ASS; ADP-Rezeptor Antagonisten; Antidepressiva, vor
Zystitis). Bei stabilen Patienten scheint ein Transfusionstrig-
ger von 10 000 Thrombozyten/µl ausreichend zu sein [5,10–16].
Wir empfehlen, bei Patienten nach Knochenmark- oder
mentös ausgelöster mikroangiopathischer Hämolyse wird
Stammzelltransplantation ohne Komplikationen, z.B. schwere
auch bei Blutungszeichen die Gabe von Thrombozyten kon-
Graft-versus-host-Reaktion oder Mukositis, Cystitis usw., erst
trovers diskutiert, da diese das Krankheitsbild verschlechtern
bei einem Thrombozytenwert von ≤10 000/µl oder bei mani-
festen Blutungen prophylaktisch Thrombozyten zu transfun-
Wir empfehlen bei Patienten mit hämolytisch urämischem
Syndrom und bei Patienten mit TTP Thrombozyten nur bei
schwerwiegenden Blutungen (WHO-Grad 4) zu transfundie-ren.
Bei Patienten mit soliden Malignomen und Thrombozytope-
nie nach Strahlen- oder Chemotherapie werden die Transfu-sionstrigger wie bei hämatologisch-onkologischen Patienten
Aufgrund fehlender Daten kann keine allgemeingültige Emp-
übernommen. Prospektive Studien hierzu fehlen. Bei Patien-
fehlung zur Thrombozytentransfusion bei Patienten mit Sepsis
ten mit nekrotisierenden soliden (gut ansprechenden) Primär-
und/oder Verbrauchskoagulopathie ausgesprochen werden.
tumoren bzw. Metastasen können gravierende Blutungen
Der Nutzen einer prophylaktischen Gabe von Thrombozyten
auch bei Thrombozytenzahlen über 50 000/µl auftreten. Bei
bei Unterschreiten von kritischen Grenzwerten (z.B.
diesen Patienten sind deshalb unter Umständen höhere
<10 000/µl) ist nicht belegt. Unstrittig ist die Thrombozyten-
Wir empfehlen, bei Patienten mit soliden Malignomen ohne
Wir empfehlen Thrombozytentransfusionen bei Patienten mit
Blutungsrisiko bei einem Thrombozytenwert ≤10 000/µl oder
Sepsis und Verbrauchskoagulopathie bei bedrohlichen Blu-
bei manifesten Blutungen prophylaktisch Thrombozyten zu
Patienten mit akuter Thrombozytenbildungsstörung
Durch die Transfusion von Thrombozyten können Patienten
immunisiert werden. Daher dürfen Patienten vor allogener
Zu dieser Gruppe gehören Patienten mit Thrombozytopenie
Stammzelltransplantation keine Blutprodukte des Transplan-
im Rahmen einer Erkrankung oder einer Therapie ohne Be-
tatspenders oder von Blutsverwandten erhalten.
Wir empfehlen, vor allogener Knochenmark- oder Blut-
Bei Erwachsenen mit krankheits- oder therapiebedingter pas-
stammzelltransplantation die Gabe von Thrombozytenkon-
sagerer Thrombozytopenie nach Chemotherapie maligner hä-
zentraten von Blutsverwandten des Empfängers oder des
matologischer Neoplasien wird ein Trigger von 10 000 Throm-
Transplantatspenders oder von Blutsverwandten des Spenders
bozyten/µl für prophylaktische Plättchentransfusionen emp-
fohlen, wenn keine blutungsrelevanten Begleitumstände vor-
Bewertung der Empfehlung: Grad 1C+
liegen. Dies wurde vorwiegend bei Patienten mit akuterLeukämie untersucht [4, 8, 9]. Bei Kindern sollten Begleitrisi-
Patienten mit akuter Thrombozytenbildungsstörung und
ken (z.B. Bewegungsdrang, Sturzgefahr) berücksichtigt wer-
Für Patienten mit hämatologischen Krankheiten, aber auch
Wir empfehlen prophylaktische Thrombozytentransfusionen
für Patienten mit soliden Tumoren und chemotherapieassozi-
bei Erwachsenen mit akuter Leukämie ab einem Thrombozy-
ierter Thrombozytopenie sind Risikofaktoren für das Auftre-
tenwert von ≤10 000/µl oder bei manifesten Blutungen.
ten schwerer Blutungskomplikationen definiert (Tab. 3). Bei
thrombozytopenischen Malignompatienten mit einem oder
Greinacher/Kiefel/Klüter/Kroll/Pötzsch/Riess
Tab. 4. Empfohlene Thrombozytenminimalwerte für folgende Unter-
Eine Lumbalpunktion ist mit einem geringen Blutungsrisikoverbunden [19]. Wegen der schwerwiegenden Folgen einer
möglichen Blutung im Bereich des Rückenmarks wird von derMehrzahl der Experten jedoch ein T
≥50 000/µl für eine elektive Lumbalpunktion empfohlen
(Grad 1C) [17]. Bei einer dringlichen oder notfallmäßigen Di-
agnostik gilt ein Thrombozytenwert von 20 000/µl als ausrei-
chend, sofern keine Blutungszeichen bestehen (Grad 2C) [17].
Ausgenommen davon sind Patienten mit schwerer Sepsis, bei
denen eine Lumbalpunktion zur Diagnosesicherung unbe-
dingt erforderlich ist (z. B. bei Verdacht auf Meningokokken-sepsis). In diesen Fällen kann die Lumbalpunktion unabhän-
*Eine transjuguläre Leberbiopsie ist im Zweifelsfall vorzuziehen.
gig von der Thrombozytenzahl durchgeführt werden. Sind die Patienten mit Thrombozytenfunktionshemmern vor-behandelt, wird eine prophylaktische Thrombozytengabe
mehreren dieser Risikofaktoren wird in der Regel die pro-
phylaktische Gabe von Plättchenkonzentraten bei Thrombo-
Wir empfehlen vor einer Lumbalpunktion die Thrombozyten-
zytenzahlen ≤20 000/µl empfohlen.
transfusion bei Werten ≤50 000/µl. Bei vitaler Indikation kann
Wir empfehlen, Patienten mit nicht onkologischen/hämatolo-
die Lumbalpunktion auch bei niedrigeren Werten durchge-
gischen Erkrankungen und Patienten mit onkologischen Er-
krankungen mit zusätzlichen zu Blutungen prädisponierenden
Risikofaktoren (Tab. 3) bei einem Thrombozytenwert von<20 000/µl prophylaktisch Thrombozyten zu transfundieren.
Die transjuguläre Leberpunktion kann auch bei Patienten mitschwerer Thrombozytopenie und/oder anderen Gerinnungs-
störungen sicher angewandt werden. Bei Wahl dieses Biopsie-
Der kritische Thrombozytenwert bei invasiven diagnostischen
verfahrens ist eine präinvasive Thrombozytengabe nur bei
Verfahren ist abhängig vom individuellen Blutungsrisiko des
Thrombozytenwerten <10 000/µl indiziert (Grad 1C) [20].
Patienten, dem Ausmaß der Traumatisierung und dem Ge-
Kann eine transkutane Leberbiopsie bei blutungsgefährdeten
fährdungspotenzial, das mit einer möglichen Blutung verbun-
Patienten nicht vermieden werden, wird ein Thrombozyten-
wert von >50 000/µl empfohlen (Grad 2C) [20].
Nach allgemeiner klinischer Erfahrung besteht kein erhöhtes
Wir empfehlen, vor transjugulärer Leberpunktion bei einer
Blutungsrisiko bei einer Thrombozytenzahl ≥50 000/µl bei
Thrombozytenzahl von <10 000/µl Thrombozyten zu transfun-
Bei einer Thrombozytopathie bestimmt der Schweregrad der
Thrombozytopathie den Transfusionstrigger. Typische Bei-
Wir empfehlen, vor transkutaner Leberpunktion bei einer
spiele für eine isolierte Thrombozytopathie stellen Patienten
Thrombozytopenie <50 000/µl Thrombozyten zu transfundie-
dar, die mit ASS, Clopidogrel oder einer Kombination aus
ASS und Clopidogrel behandelt werden. Kann bei diesen Pa-
tienten ein Abklingen der thrombozytenfunktionshemmen-den Medikamentenwirkung nicht abgewartet werden, kann
durch die Thrombozytengabe eine ausreichende Hämostase
Bei Gelenkpunktionen sollten Thrombozytenzahl und -funk-
tion beachtet werden. Studien zur Festlegung eines sicherenThrombozytenwerts vor einer Punktion liegen nicht vor. Liegt
keine Blutungsneigung und keine Thrombozytenfunktionsstö-
Die Knochenmarkbiopsie kann auch bei sehr niedrigen
rung vor, wird eine Thrombozytenzahl von >20 000/µl emp-
Thrombozytenwerten ohne erhöhtes Blutungsrisiko durchge-
führt werden, wenn danach die Punktionsstelle mechanisch
Wir empfehlen, vor Gelenkpunktionen bei einer Thrombozy-
topenie <20 000/µl Thrombozyten zu transfundieren.
Wir raten davon ab, vor Knochenmarkbiopsie Thrombozyten
zu transfundieren. Bewertung der Empfehlung: 2C
bozytengabe eine zusätzliche thrombotische Gefährdung des
Bei zahnärztlichen Eingriffen mit Blutungsrisiko sollten
Patienten darstellen. In diesen Fällen wird postinterventionell
Thrombozytenzahl und -funktion beachtet werden. Studien
nur bei verstärkten Blutungen eine Thrombozytengabe emp-
zur Festlegung eines sicheren Thrombozytenwerts vor einer
Behandlung liegen nicht vor. Liegt keine Blutungsneigung
Wir empfehlen vor Durchführung einer Angiographie, sofern
und keine Thrombozytenfunktionsstörung vor, wird eine
die Angiographie nicht zur Diagnostik eines akuten arteriel-
Thrombozytenzahl von >30 000/µl und bei Operationen eine
len thrombotischen Ereignisses durchgeführt wird, bei einer
Thrombozytenzahl von >50 000/µl empfohlen.
Thrombozytenzahl von ≤ 20 000/µl eine prophylaktische
Wir empfehlen, vor größeren zahnärztlichen Eingriffen bei
einer Thrombozytopenie < 30 000/µl Thrombozyten zu trans-
fundieren. Bewertung der Empfehlung: 2COperative EingriffeBei normaler Thrombozytenfunktion und Thrombozytenwer-
ten >50 000/µl ist nicht mit einer erhöhten Blutungsneigung zu
Die gastrointestinale Endoskopie kann selbst bei Patienten
rechnen und eine präoperative Thrombozytengabe nicht er-
mit schweren Thrombozytopenien sicher durchgeführt wer-
forderlich (Grad 1C) [17, 23]. Operative Eingriffe mit einem
den [17]. Bei Vorbehandlung mit Thrombozytenfunktions-
geringen Blutungsrisiko können auch bei Thrombozytenzah-
hemmern, sollten diese abgesetzt und bei zwingender Indika-
len zwischen 20 000 und 50 000/µl durchgeführt werden. Wenn
tion die antithrombotische Behandlung mit Heparin fortge-
bereits präoperativ eine Blutungsneigung und/oder eine
Thrombozytenzahl von <20 000/µl vorliegt besteht eine Indi-
Eine periinterventionelle Thrombozytensubstitution ist nur
kation zur präoperativen Thrombozytengabe (Grad 2C).
erforderlich, wenn eine Biopsieentnahme geplant ist und
Wir empfehlen vor kleineren operativen Eingriffen eine prä-
Thrombozytenwerte von 20 000/µl unterschritten werden
operative Thrombozytengabe bei Vorliegen einer thrombozy-
(Grad 1C). Die Thrombozytengabe sollte unmittelbar vor der
tären Blutungsneigung oder bei Thrombozytenzahlen
Wir empfehlen, bei gastrointestinaler Endoskopie mit Biopsie-
entnahme die Thrombozytentransfusion bei einer Thrombo-
Bei größeren operativen Eingriffen wird eine präoperative
Thrombozytengabe zum Teil bei Unterschreiten eines Grenz-
werts von 50 000/µl empfohlen. Liegt der Wert zwischen50 000 und 100 000/µl, sollten die Thrombozytenzahlen jedoch
Bronchoskopie einschließlich transbronchialer Biopsie
Die Bronchoskopie kann auch bei thrombozytopenischen Pa-
Wir empfehlen vor Durchführung von großen operativen Ein-
tienten ohne Thrombozytensubstitution durchgeführt werden
griffen eine unmittelbar präoperative Thrombozytengabe bei
[21]. Eine Indikation zur Thrombozytengabe besteht vor einer
Bronchoskopie bei Werten <20 000/µl und vor einer trans-
bronchialen Biopsie bei Thrombozytenzahlen <50 000/µl. Bei einer Behandlung mit Thrombozytenfunktionshemmern
Bei Eingriffen mit einem besonders hohen Blutungsrisiko
wird ein rechtzeitiges Absetzen dieser Medikamente empfoh-
(zum Beispiel neurochirurgische Eingriffe und Eingriffe am
len. Im Notfall kann eine prophylaktische Thrombozytengabe
hinteren Augenabschnitt [24] wird ein präoperativer Wert
über 70 000–100 000/µl empfohlen (Grad 1C). Wir empfehlen vor Eingriffen mit einem sehr hohen Blutungs-
Wir empfehlen, zur Durchführung einer transbronchialen
risiko eine unmittelbar präoperative Thrombozytengabe bei
Biopsie einen Thrombozytengrenzwert von 50 000/µl.
Thrombozytenzahlen von <70 000–100 000/µl.
Angiographie einschließlich Koronarangiographie
Bei kardiochirurgischen Eingriffen und Einsatz der Herz-
Zur Vermeidung von Blutungen im Bereich der Punktions-
Lungen-Maschine ist eine präoperative Thrombozytengabe in
stellen wird vor Durchführung einer Angiographie eine
der Regel nicht erforderlich. Ausnahmen bilden Patienten mit
Thrombozytenzahl von mindestens 20 000/µl empfohlen
Thrombozytopenie <20 000/µl (Grad 1C). Nach Beendigung
(Grad 2C). Bei Unterschreiten dieses Grenzwerts wird die
des kardiopulmonalen Bypasses ist die Thrombozytengabe in-
Thrombozytentransfusion empfohlen, sofern die Angiogra-
diziert bei einer Thrombozytenzahl <20 000/µl und wenn bei
phie zur Lokalisation einer Blutungsquelle oder zur elektiven
zwei Messungen im Abstand von >30 min kein Anstieg der
Gefäßdiagnostik durchgeführt wird. Ist die Indikation zur An-
Thrombozytenzahlen erkennbar ist. Bei Patienten mit mikro-
giographie ein akuter arterieller Verschluss, kann die Throm-
vaskulären Blutungen werden postoperativ Thrombozytenga-
Greinacher/Kiefel/Klüter/Kroll/Pötzsch/Riess
ben bis zum Erreichen der Blutstillung empfohlen. Thrombo-
Wir empfehlen die Thrombozytengabe bei Patienten mit chro-
zytenzahlen von 50 000–100 000/µl werden dann angestrebt
nischer Leberinsuffizienz beim Auftreten von Blutungskom-
plikationen oder prophylaktisch zur Vorbereitung von dia-
Wir empfehlen nach kardiochirurgischen Eingriffen die
gnostischen oder therapeutischen Eingriffen bei Thrombozy-
Thrombozytengabe bei verstärkten postoperativen Blutungen
und bei Unterschreiten einer Thrombozytenzahl von
20 000/µl. Bewertung der Empfehlung: 2CThrombozytentransfusion zur Behandlung einer akuten
Zur Durchführung einer Epiduralanästhesie wird ein Throm-
bozytengrenzwert von >80 000/µl empfohlen (Grad 1C+). BeiUnterschreiten dieses Werts werden alternative Narkosever-
Im Fall von akuten Blutungen stellen die Thrombozytenzahl
fahren empfohlen. Für die Spinalanästhesie gilt ein Grenzwert
und -funktion, das Ausmaß des Blutverlusts sowie die Be-
von 50 000/µl (Grad 1C+) [25–27].
drohlichkeit der Blutung die wichtigsten Transfusionstrigger
Wir empfehlen die Thrombozytentransfusion vor Durchfüh-
dar. Bei einem massiven Blutverlust unter Substitution von
rung einer Epiduralanästhesie bei Thrombozytenwerten
Erythrozytenkonzentraten und Frischplasma wird die Substi-
<80 000/µl und vor Spinalanästhesie bei Thrombozytenwerten
tution von Thrombozyten bei Unterschreiten eines Werts von
Bei transfusionspflichtigen Blutungen mit einem Transfusions-
Bei erworbenen Plättchenfunktionsstörungen (z.B. infolge
bedarf von >1 Erythrozytenkonzentrat/Tag (WHO-Grad 3)
einer Urämie, nach kardiopulmonalem Bypass, unter Behand-
[29] wird unabhängig von der Genese der Blutung ein Throm-
lung mit Thrombozytenaggregationshemmern) sind prophy-
bozytenzielwert von 100 000/µl angestrebt (Grad 2C). Gleich-
laktische Thrombozytengaben in der Regel nicht angezeigt.
zeitig sollten alle Möglichkeiten der lokalen Blutungskontrol-
Die Transfusionsindikation kann in diesen Fällen nicht von
le ausgeschöpft werden. Bei nichttransfusionspflichtige Blu-
der Thrombozytenzahl abgeleitet werden, sondern klinisch
tungen (WHO-Grad 1–2: Petechien, Ekchymosen, okkulte
anhand der Blutungsneigung. Die Gabe von Antifibrinolytika
Blutungen, vaginale Schmierblutungen, Epistaxis, Mikrohä-
oder Desmopressin kann zweckmäßig sein. Gleichzeitig sind
maturie) besteht in der Regel keine Indikation zur Thrombo-
Medikamente, die die Thrombozytenfunktion hemmen (Tab.
Wir empfehlen im Fall von transfusionspflichtigen Blutungen
Patienten, die präoperativ ohne ausreichende Medikations-
eine Thrombozytengabe bei <100 000 Thrombozyten/µl.
pause mit Thrombozytenfunktionshemmern behandelt wer-
den, haben ein erhöhtes Blutungsrisiko [22]. Eine präoperati-
Wir empfehlen bei nichttransfusionspflichtigen Blutungen die
ve Thrombozytengabe wird bei diesen Patienten für Eingriffe
Gabe von Thrombozyten nur, wenn durch andere Maßnah-
mit einem besonders hohen Blutungsrisiko empfohlen (z.B.
men keine ausreichende Blutstillung erreicht werden kann
neurochirurgische Eingriffe und Operationen am hinteren
und die Gefahr einer klinischen Verschlechterung besteht. LeberinsuffizienzDas akute Leberversagen ist meistens mit einer schweren
Thrombozytenkonzentrate zur Transfusion
Thrombozytopenie assoziiert. Eine Thrombozytengabe wirdbei <20 000/µl oder beim Auftreten klinisch relevanter Blu-
Thrombozytenkonzentrate werden entweder aus Vollblut-
tungen empfohlen (Grad 1C). Gleichzeitig sollte die Störung
spenden oder durch Thrombozytapherese gewonnen (Richtli-
der plasmatischen Gerinnung behandelt werden.
nien der Bundesärztekammer zur Gewinnung von Blut und
Bei Patienten mit chronischer Leberinsuffizienz ist mit Aus-
Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten
nahme der Vorbereitung von diagnostischen oder therapeuti-
(Hämotherapie)). Bei Thrombozytenkonzentraten aus der
schen Eingriffen eine prophylaktische Thrombozytengabe bei
Vollblutspende («Buffy-coat»-Thrombozytenkonzentrat; BC-
Werten >10 000 Thrombozyten/µl nicht erforderlich (Grad
TK) werden die Thrombozyten aus 4–6 blutgruppengleichen
2B). Es gelten hier auch die Empfehlungen zur gastrointesti-
thrombozytenhaltigen «buffy coats» angereichert. Bei der
Thrombozytapherese werden mittels maschineller Zellsepara-
Wir empfehlen die prophylaktische Thrombozytengabe bei
toren von einem Spender 1–2 Aphrerese-Thrombozytenkon-
Patienten mit akuter Leberinsuffizienz bei Thrombozytenwer-
zentrate (A-TK) gewonnen. Beide Arten von Thrombozyten-
ten von <20 000/µl oder beim Auftreten von klinisch relevan-
präparaten sind bei optimalen Lagerungsbedingungen (kon-
stante Bewegung bei 22 ± 2 °C) über den Tag der Blutspende
Thrombozytenkonzentrate aus Vollblutspenden (BC-TK) und
bzw. 69 Ereignissen auf 106 Transfusionen. Wegen des Risikos
durch maschinelle Apherese gewonnene Thrombozytenkon-
der bakteriellen Kontamination dürfen eröffnete Thrombozy-
Eröffnete Thrombozytenkonzentrate dürfen nicht gelagert
BC-TK enthalten in der Regel 2,4–3,6 × 1011 Thrombozyten
von 4–6 Spendern. Diese sind in 200–350 ml Plasma oder einer
Bewertung der Empfehlung: Grad 1C+
Plasmaersatzlösung suspendiert. Bei der Verwendung vonPlasmaersatzlösungen beträgt der Restplasmagehalt etwa80–100 ml [30].
Das A-TK enthält in der Regel 2,4–4,0 × 1011 Thrombozyteneines Einzelspenders in etwa 200–300 ml Plasma.
Febrile und allergische Transfusionsreaktionen können wäh-
Bei beiden Präparaten liegt der Leukozytengehalt unterhalb
rend oder nach einer Transfusion von Thrombozytenkonzen-
von 1 × 106 pro Thrombozytenkonzentrat, und beide Präpara-
traten auftreten (Inzidenz 1,5–7%, unabhängig von der Art
te gelten als leukozytendepletiert. Der Therapieeffekt ist für
des Thrombozytenkonzentrats) [39, 40]. Diese Transfusions-
beide Präparate gleich [31–33]. Die Auswahl des Präparats
reaktionen verlaufen in der Regel mild, jedoch sind auch
sollte bei nichtimmunisierten Patienten nur von der Verfüg-
schwere Komplikationen, z.B. anaphylaktische Reaktionen,
barkeit abhängig gemacht werden; HLA-Antigene und
beschrieben. Empfehlungen zur Notfallbehandlung sind der
«human platelet antigens» (HPA) müssen nicht berücksichtigt
werden. Refraktärität ist häufiger bei BC-TK- als bei A-TK-Gaben [34]. Das «corrected count increment» (CCI) reduziertsich bei beiden Präparaten über den Lagerungszeitraum von 5
Berücksichtigung der Blutgruppen AB0 und Rhesus D
Tagen um etwa 20–30% [32]. Der Aufwand für die Herstel-
bei der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten
lung von A-TK ist höher als der für BC-TK.
Die Blutgruppenmerkmale A und B sind meist nur schwach
Wir empfehlen, bei nichtimmunisierten Patienten die Auswahl
des Thrombozytenkonzentrats (A-TK oder BC-TK) von der
Major- und Minor-Inkompatibilität werden unterschieden.
Verfügbarkeit der Präparate abhängig zu machen.
Eine Major-Inkompatibilität liegt vor, wenn die Spender-
thrombozyten für den Empfänger AB0-inkompatibel sind. Eine
Wir empfehlen, bei immunisierten Patienten das HLA- bzw.
Minor-Inkompatibilität liegt vor, wenn das Plasma des Throm-
das HPA-Antigenmuster bei der Auswahl der Thrombozyten-
bozytenkonzentrats für den Empfänger inkompatibel ist. Die
Wiederfindungsrate (Recovery) bei Major-Inkompatiblität
von Thrombozyten ist um zirka 30–40% reduziert [44–46] undnimmt mit zunehmender Anzahl major-inkompatibler Trans-fusionen weiter ab [47, 48]. Bei minor-inkompatibler Throm-
Infektionsübertragungsrisiko von Thrombozytenkonzentraten
bozytentransfusion ist die Wiederfindungsrate um 18% redu-ziert [46]. Leukämiepatienten mit AB0-identischen Thrombo-
Thrombozytenkonzentrate können sehr selten Virusinfektio-
zytentransfusionen zeigten in kleineren Studien ein längeres
nen übertragen (Hepatitis B 1:320 000 bis 1:500 000, Hepatitis
Überleben als die AB0-inkompatibel transfundierten Patien-
C <1:13 000 000; HIV <1:11 000 000) [35, 36]. Ein Unterschied
ten [48–50]. Bei herzchirurgischen Patienten zeigte eine retro-
des Übertragungsrisikos dieser Viren durch BC-TK oder A-
spektive Untersuchung an 153 Patienten einen Trend für ein
erhöhtes Risiko für längeren Krankenhausaufenthalt, Morta-
Ein größeres Problem stellt die bakterielle Verkeimung der
lität und Infektionen durch AB0-inkompatible Thrombozy-
bei 22 °C gelagerten Thrombozytenkonzentrate dar. Ein posi-
tentransfusion [51]. Dies wurde in einer zweiten retrospekti-
tiver Nachweis in der Bakterienkultur findet sich bei etwa
ven Untersuchung an 1721 Patienten nicht bestätigt [52].
0,25% der untersuchten Präparate [37]. Die klinische Rele-
Thrombozytenkonzentrate ohne Plasmaersatzlösung (siehe
vanz dieses Befunds ist bisher nicht geklärt. Die Transfusion
oben) enthalten bis zu 350 ml Plasma. Hierdurch können rela-
eines bakteriell kontaminierten Blutpräparats kann in selte-
tiv große Mengen an Isoagglutininen übertragen werden. Das
nen Fällen eine Sepsis verursachen und führt in sehr seltenen
Risiko einer klinisch relevanten hämolytischen Transfusions-
Fällen zu einer akuten Sofortreaktion mit Blutdruckabfall und
reaktion bei minor-inkompatibler Thrombozytentransfusion
Schocksymptomatik. Das Hauptrisiko einer bakteriellen Kon-
beträgt zirka 1:9000. Das Risiko scheint höher zu sein bei
tamination ergibt sich durch die Venenpunktion bei der Blut-
Thrombozytenpräparaten der Blutgruppe 0 [53, 54].
spende. Die Kontaminationsrate bei Verabreichung von BC-TK ist nicht höher als bei A-TK [37, 38]. Nach einer Untersu-
Wir empfehlen, der AB0-identischen den Vorzug vor der
chung von Andreu et al. [38] liegt das Risiko einer bakteriel-
AB0-ungleichen Thrombozytentransfusion zu geben.
len Infektionsübertragung für BC-TK und A-TK bei etwa 13
Greinacher/Kiefel/Klüter/Kroll/Pötzsch/Riess
Tab. 5. Notfallmaßnahmen bei Transfusionsreaktionen auf Thrombozytenkonzentrate Allergische Reaktionen Erstversorgung–
Engmaschige Kontrolle des Patienten (Puls, Blutdruck, Atemfrequenz, Körpertemperatur, Exanthembildung)
Gabe von H1-blockierenden Antihistaminika, vorzugsweise i.v. (bei Erwachsenen z.B. 0,03 mg/kg KG Clemastin)
Gegebenenfalls zusätzliche Applikation von H2-Blocker z. B. Cimetidin (bei Erwachsenen 5 mg/kg KG i.v.)
Bei kreislaufwirksamen anaphylaktischen Reaktionen intensivmedizinische Maßnahmen, Volumengabe und Adrenalin 1:10 000 verdünnt
Bei mild verlaufenden allergischen Reaktionen ohne Fieber kann die Transfusion nach 30 min weitergeführt werden, wenn die Urtikariaverschwindet und keine weitergehenden Symptome auftraten
Gegebenenfalls zusätzliche Gabe von 100–250 mg Prednisolon intravenös
Febrile Reaktionen (Anstieg Körpertemperatur >1 °C)Erstversorgung–
Engmaschige Kontrolle des Patienten (Puls, Blutdruck, Atemfrequenz, Körpertemperatur)
Gabe des Antipyretikums Paracetamol (bei Erwachsenen 500–1000 mg oral)
Bei schwerem Schüttelfrost Gabe von Pethidin i.v. (bei Erwachsenen 25–50 mg)
Nicht verbrauchtes Blutpräparat und posttransfusionelle Patientenblutprobe zur Abklärung auf irregulären Antikörper und bakterielleKontamination an die versorgende transfusionsmedizinische Einrichtung senden
Thrombozytenkonzentrate enthalten geringe Mengen von
Wir empfehlen, bei Transfusion von Rhesus-D-positiven
Erythrozyten [55]. Die Häufigkeit einer Anti-D-Bildung durch
Thrombozyten bei Rhesus-negativen Patientinnen vor der
Rhesus-D-Thrombozytenkonzentrate bei Rhesus-negativen
Menopause eine Anti-D-Prophylaxe durchzuführen.
Patienten betrug in früheren Untersuchungen bis zu 19%
[56–59]. In zwei Studien mit 24 bzw. 22 erwachsenen hämato-logisch-onkologische Patienten wurde keine Anti-D-Bildungnach Rhesus-D-inkompatiblen Thrombozytentransfusionen
Management des refraktären Patienten
beobachtet [60, 61]. Ebenso wurde bei 42 Kindern, die Rhe-sus-D-inkompatible Thrombozytenkonzentrate aus Apherese
Klinisches Vorgehen bei refraktären Patienten
erhalten hatten, keine Rhesus-D-Immunisierung nachgewie-sen [62]. Die durchgeführten Chemotherapieverfahren könn-
Die Refraktärität gegen Thrombozytentransfusionen ist ge-
ten für die niedrigeren Immunisierungsraten verantwortlich
kennzeichnet durch einen fehlenden Anstieg der Thrombozy-
sein. Bei nichthämatologischen Patienten wurde nach Transfu-
tenwerte 1–3 h nach Transfusion trotz wiederholter Transfu-
sion mit Rhesus-D-inkompatiblen Pool- und/oder Apherese-
sionen AB0-kompatibler, frischer (<3 Tage) Thrombozyten-
präparaten eine Immunisierungsrate von 13,5% (8 von 59 Pa-
konzentrate. Die Ursache einer Refraktärität ist nicht immer
klar. Nichtimmunologische Ursachen (z.B. peripherer Ver-
Daher sollte bei der Auswahl auch der Rhesusfaktor D be-
brauch bei diffus blutenden oder septischen Patienten) sind
rücksichtigt werden. Ist die Gabe von Rhesus-D-positiven
häufiger als immunologische Ursachen (HLA- und HPA-
Thrombozytenkonzentraten bei Rhesus-D-negativen Mäd-
Antikörper). Die Indikation zur Thrombozytentransfusion
chen und Frauen im gebärfähigen Alter nicht vermeidbar, ist
sollte bei diesen Patienten nicht von der Thrombozytenzahl,
eine Prophylaxe mit Anti-D-Immunglobulin im engen zeit-
sondern von Blutungszeichen und zusätzlichen Blutungsrisi-
lichen Zusammenhang (maximal bis 72 h nach der Transfu-
ken (z.B. invasive Eingriffe) abhängig gemacht werden. Bei
sion) mit der Transfusion geeignet [63]. Dabei ist eine Dosis
Blutungen kann oft durch eine höhere Dosis an Thrombozy-
von 20 µg (100 IE) ausreichend [64]. Die Applikation kann
i.v. [65] oder wahrscheinlich auch s.c. [66] erfolgen (Cave:
Wir empfehlen, bei Patienten ohne ausreichenden Thrombo-
wegen Blutungsgefahr keine i.m. Applikation!).
zytenanstieg (Inkrement) zunächst frische, AB0-kompatible
Wir empfehlen, bei Rhesus-negativen Patienten Thrombozy-
Thrombozytenkonzentrate zu transfundieren und das jeweili-
ten von Rhesus-negativen Spendern einzusetzen.
Wir empfehlen, refraktäre Patienten nur bei klinisch manifes-
Auswahl kompatibler Thrombozytenkonzentrate bei
ter Blutungsneigung (WHO Grad 3 und 4) mit Thrombozyten
zu transfundieren. Bewertung der Empfehlung: 2C
Bei nachgewiesenen HLA-Klasse-I-Alloantikörpern solltenHLA-ausgewählte, nach Überprüfung in einem Kreuzproben-verfahren verträgliche Thrombozyten transfundiert werden
Serologische Diagnostik bei refraktären Patienten
[75–77]. Bei breit immunisierten Patienten (Panelreaktivitätüber 80–90%) empfiehlt sich die Bestimmung der HLA-A-
Nichtimmunologische Ursachen sind bei einem Refraktärzu-
und HLA-B-Antigene des Patienten, um eine Vorauswahl po-
stand gegenüber Thrombozytentransfusionen häufiger als im-
tentiell geeigneter Thrombozytenspender (
munologische Ursachen. Bei Patienten mit einem Refraktär-
zu können. Hierfür ist die serologische Bestimmung der
zustand unklarer Ursache sollte eine Suche nach thrombozy-
HLA-A- und HLA-B-Antigene ausreichend. Zur Spender-
tenreaktiven Antikörpern eingeleitet werden.
auswahl können auch HLA-Antikörperspezifitäten der Pa-tienten herangezogen werden, wenn sich solche Spezifitäten
im Einzelfall bestimmen lassen [77, 78]. Wenn HLA-typisierte
Antikörper gegen HLA-Klasse-I-Antigene sind die häufigste
Spender nicht zur Verfügung stehen, ist auch bei Patienten mit
Ursache für einen immunologisch induzierten Refraktärzu-
hoher Panelreaktivität eine Suche mit Hilfe von Kreuzproben
stand [67, 68]. Der Nachweis erfolgt mit komplementunab-
an einer ausreichenden Zahl potentieller Spender möglich
hängigen Testsystemen, z.B. Enzymimmuntests mit immobili-
sierten HLA-Antigenen oder Thrombozyten [69–71]. Der
Bei Patienten, die neben HLA-Klasse-I-Antikörpern zusätz-
lymphozytotoxische Test kann falsch-positive Resultate geben
lich HPA-Antikörper gebildet haben, sollten HLA- und HPA-
(z.B. bei Patienten mit autoreaktiven zytotoxischen Antikör-
kompatible Spender ausgewählt werden [80, 81].
pern oder durch vorherige Gabe therapeutischer Antikörper
Wir empfehlen bei nachgewiesenen HLA-Antikörpern die
(Anti-CD3, ATG)) und falsch-negative Resultate, da ein Teil
Bestimmung der HLA-A- und HLA-B-Antigene des Patien-
der transfusionsrelevanten HLA-Antikörper kein Komple-
Wir empfehlen, bei Verdacht auf einen immunologisch be-
Wir empfehlen, bei nachgewiesenen HLA-Klasse-I-Antikör-
dingten Refraktärzustand gegenüber Thrombozytentransfu-
pern HLA-kompatible Thrombozyten zu transfundieren.
sionen im Rahmen einer Erstuntersuchung nach HLA-Klasse-
I-spezifischen Antikörpern im Serum des Patienten zu suchen.
Wir empfehlen, bei zusätzlich nachgewiesenen HPA-Antikör-
pern, HLA- und HPA-kompatible Thrombozyten zu transfun-
Wir empfehlen, für die Untersuchung auf HLA-Klasse-I-
Antikörper einen komplementunabhängigen Test zu verwen-
Kreuzprobe bei immunisierten PatientenHPA-AntikörperPatienten, die HLA-Klasse-I-spezifische Antikörper gebildet
Wie bei Erythrozytenkonzentraten kann auch bei Thrombozy-
haben, weisen in 15–30% der Fälle zusätzlich HPA-Antikör-
tenkonzentraten eine serologische Verträglichkeitsprobe
per auf [71, 72]. Lediglich HPA-5b-Antikörper werden häufi-
durchgeführt werden. Hierbei werden Thrombozyten des
ger auch ohne begleitende HLA-Antikörper nachgewiesen.
Thrombozytenspenders gegen das Empfängerserum getestet.
Zur Bestimmung von HPA-Antikörpern sind vor allem glyko-
Die Verwendung von Thrombozyten des Spenders ist für
protein(GP)spezifische Tests geeignet [73]. In die Untersu-
diese Testung besser geeignet als die Verwendung von Lym-
chung sollten als Ziel-(Glyko-)Proteine GP IIb/IIIa, GP Ia/IIa
phozyten. Bei Patienten mit nachgewiesenen thrombozytenre-
und GP Ib/IX und möglichst auch CD109 [74] einbezogen
aktiven Antikörpern erzielt man mit kreuzprobennegativen
Thrombozytenkonzentraten ein höheres Thrombozyteninkre-ment als bei positiver Kreuzprobe [76, 77, 79].
Wir empfehlen, bei nachgewiesenen HLA-Antikörpern undineffektiven HLA-kompatiblen Thrombozytentransfusionen
Wir empfehlen, für die Durchführung einer serologische Ver-
zusätzlich nach plättchenspezifischen Alloantikörpern (HPA-
träglichkeitsprobe (Kreuzprobe) von Thrombozyten die An-
wendung eines komplementunabhängigen Testsystems unter
Verwendung von Thrombozyten als antigenes Substrat. Bewertung der Empfehlung: 1C
Greinacher/Kiefel/Klüter/Kroll/Pötzsch/Riess
Gabe inkompatibler Thrombozyten und Anwendung andererZytomegalievirus-sichere Thrombozytenkonzentrate Therapien bei immunisierten Patienten
Gelingt es nicht, immunologisch kompatible Thrombozyten zufinden, kann bei Patienten mit manifester Blutung die Gabe
Das Zytomegalievirus (CMV), auch als humanes Herpes-
mehrere Thrombozytenkonzentrate eine kurzfristige Blutstil-
Virus Typ 5 (HHV-5) bezeichnet, kann durch Schleimhaut-
lung bewirken [82]. Die i.v. Gabe von hoch dosiertem IgG zu-
kontakte, diaplazentar oder durch zellhaltige Blutprodukte
sammen mit Thrombozytentransfusionen ist dabei nicht wirk-
und Transplantate übertragen werden. Während bei immun-
samer als die Gabe von Thrombozyten allein [83, 84]. Ebenso
kompetenten Personen nach einer Inkubationszeit von 4–8
ist die Gabe von Steroiden nicht sinnvoll. Für den Einsatz al-
Wochen eine meist klinisch inapparente Virämie abläuft, kann
ternativer Verfahren (z.B. Entfernung der HLA-Antigene von
es bei Feten, Frühgeborenen, Empfängern von soliden Orga-
Thrombozyten durch Elution, Immunadsorption zur Elimina-
nen oder Knochenmark sowie bei anderen Patienten mit an-
tion der Antikörper) fehlen hinreichende Wirksamkeitsnach-
geborenem oder erworbenem Immundefekt (z.B. HIV-Infek-
weise. Bei lebensbedrohlichen Blutungen kann die Gabe von
tion) zu schweren CMV-Erkrankungen kommen [86]. Nach
primärer CMV-Infektion persistiert das Virus in der Regel le-
Wir raten davon ab, bei blutenden transfusionsrefraktären Pa-
benslang. Transplantatempfänger und andere immunsuppri-
tienten zusätzlich zu Thrombozytenkonzentraten i.v. IgG oder
mierte Patienten sind deshalb nicht nur durch frisch übertra-
genes CMV, sondern auch durch Reaktivierung des latenten
Virus gefährdet. Orte der Viruspersistenz sind unter anderemCD34+ Progenitorzellen der Hämatopoese und zirkulierendeMonozyten [87]. Die Häufigkeit transfusionsassoziierter
Überprüfung des Transfusionserfolgs
CMV-Infektionen bei Neugeborenen mit niedrigem Geburts-gewicht wurde zwischen 0 und 8,7% angegeben. In einzelnen
Therapiekontrolle bei akut blutenden Patienten
Studien wurden sogar Inzidenzen bis 31,8% berichtet [Über-sicht in 88]. Unter 127 Transplantatempfängern, bei denen vor
Bei einer akuten Blutung ist das Sistieren der Blutung die
der Transfusion von Blutprodukten keine Maßnahmen zur
wichtigste Therapiekontrolle. Das Inkrement oder das korri-
Reduktion des CMV-Risikos ergriffen wurden, erlitten 3
gierte Inkrement sind bei der Bewertung der prophylakti-
(2,4%) eine CMV-Infektion [89]. Bei CMV-negativen Emp-
schen Thrombozytengabe sinnvoll zur Therapiekontrolle.
fängern von CMV-negativem Knochenmark wird das Risiko
Wir empfehlen, bei einer akuten Blutung zur Beurteilung der
einer CMV-Infektion durch die ausschließliche Transfusion
Wirksamkeit einer Thrombozytengabe den klinischen Para-
von Blutprodukten von Spendern ohne CMV-Antikörper re-
meter «Sistieren der Blutung» einzusetzen.
duziert [90, 91]. Die Viruslast von Blutprodukten lässt sich
durch Leukozytendepletion erheblich vermindern, da CMVim Wesentlichen zellassoziiert vorliegt [92].
Überprüfung des Transfusionserfolgs bei immunisiertenPatientenCMV-Antikörper-getestete versus nicht-CMV-Antikörper-getestete leukozytendepletierte Thrombozytenkonzentrate
Nach der Transfusion sollte der Transfusionserfolg anhand des
Thrombozyteninkrements bewertet werden, damit frühzeitigeine weitere Immunisierung erkannt wird. Hierzu werden
In klinischen Studien an Transplantationspatienten konnte ge-
Thrombozytenzahl vor, 1 h und annähernd 20 h nach Transfu-
zeigt werden, dass die Leukozytendepletion und die Verwen-
sion bestimmt. Eine «normalisierte» Maßzahl stellt das korri-
dung von Blutprodukten CMV-Antikörper-negativer Blut-
gierte Inkrement (CCI = (Thrombozyteninkrement pro µl ×
spender zu einer vergleichbar niedrigen Rate an CMV-Infek-
Körperoberfläche in m2)/Thrombozytendosis in 1011) dar [85].
tionen führen [93, 94]. In der einzigen randomisierten Studie
Bei Refraktärzuständen sind nach 1 h gemessene korrigierte
an 502 Patienten fanden Bowden et al. [93] in der Patienten-
Inkremente <7500, nach 20 h bestimmte Werte <4500.
gruppe mit seronegativen Blutprodukten 1,4% (n = 4) und in der Gruppe mit leukozytenarmen Blutprodukten 2,4%
Wir empfehlen, bei immunisierten Patienten die Überprüfung
(n = 6) CMV-Infektionen (p = 0,5). Allerdings erkrankten alle
des Transfusionserfolgs anhand des Inkrements.
6 Patienten der Gruppe mit leukozytenarmen Blutprodukten
an einer manifesten CMV-Erkrankung, während kein Patientaus der Gruppe mit seronegativen Blutprodukten erkrankte(p = 0,03). Ljungman et al. [94] fanden bei 6 von 49 Patientennach Transfusion von leukozytendepletierten Blutprodukten
und bei 3 von 33 nach Transfusion von leukozytendepletierten
tales Thrombozytenantigen und eine diaplazentare Übertra-
und zusätzlich seronegativen Blutprodukten CMV-Infektio-
gung des Antikörpers in die fetale Zirkulation ausgelöst [101].
nen (p = n.s.). Bei Neugeborenen mit Geburtsgewicht unter
Am häufigsten sind Antikörper gegen HPA-1a und HPA-5b
1500 g wurde gezeigt, dass durch Verwendung leukozytende-
beteiligt. Antikörper gegen andere HPAs sind seltener invol-
pletierter Blutprodukte CMV-Infektionen verhindert werden
viert [102]. Die Neugeborenen können Petechien, Hämatome,
können [95]. Sowohl bei CMV-Antikörper-negativen als auch
gastrointestinale, urogenitale, pulmonale oder, im schwersten
leukozytendepletierten Blutprodukten bleibt ein Restrisiko
Falle, zerebrale Blutungen entwickeln [103]. Eine FNAIT
einer CMV-Infektion bestehen. Dafür können Virämien des
kommt in der kaukasoiden Bevölkerung mit einer Häufigkeit
Spenders vor Beginn der Nachweisbarkeit des Antikörpers
von etwa 1:1000 vor. Unbehandelte Neugeborene haben ein
bzw. durch Leukozytendepletion nicht vollständig entfernte
hohes Risiko, eine intrakranielle Blutung zu erleiden (bis zu
25%) [104, 105]. Bei einem Teil der Kinder treten die intra-
Eine besonders hohe Viruslast im Plasma liegt bei frischer
kraniellen Blutungen bereits pränatal auf [106, 107]. Das Blu-
CMV-Infektion vor. Bei diesen Spendern lassen sich oft noch
tungsrisiko ist wahrscheinlich schon bei Thrombozytenwerten
keine Anti-CMV-Antikörper nachweisen. Es ist wahrschein-
lich, dass durch die Auswahl CMV-Antikörper-negativer
Da die Gefahr schwerwiegender Blutungskomplikationen in
Spender das Risiko, Thrombozyten mit hoher Viruslast zu
den ersten Lebenstagen am größten ist oder bereits pränatal
transfundieren, deutlich ansteigt (bei einer Anti-CMV-Anti-
eine Blutung aufgetreten ist, sollte der Therapiebeginn nicht
körper-Prävalenz von 50% verdoppelt sich diese Risiko). In
allein vom Ergebnis der thrombozytenserologischen Untersu-
zusammenfassenden Bewertungen von 13 verschiedenen Pu-
blikationen über Patienten mit hämatologisch-onkologischenErkrankungen fanden sich Risiken für eine CMV-Infektionvon 0,8% für Patienten nach Transfusion von seronegativen
Thrombozytentransfusionen bei FNAIT
und von 0,5% nach Transfusion von leukozytendepletiertenBlutprodukten [97, 98]. Bislang gibt es keine Studie, die die
Schon frühe Beobachtungen haben gezeigt, dass die Transfu-
Überlegenheit eines der beiden Verfahren oder der Kombina-
sion unausgewählter Thrombozytenkonzentrate nicht immer
tion beider Verfahren zur Verminderung des Risikos einer
zum Anstieg der Thrombozytenzahl führt [104, 106]. Aller-
CMV-Infektion belegt. In einer kürzlich vorgelegten Untersu-
dings sind auch Fälle dokumentiert, bei denen die Gabe un-
chung wurde ein erhöhtes Risiko für eine CMV-Übertragung
ausgewählter Thrombozyten wirksam war [108]. In einer Serie
durch leukozytendepletierte (gefilterte) Erythrozytenkonzen-
von 27 Neugeborenen mit FNAIT führte die Gabe von unaus-
trate, nicht aber durch leukozytendepletierte Thrombozyten-
gewählten Thrombozytenkonzentraten in 24 Fällen zu einem
konzentrate von Spendern, die nicht auf CMV-Antikörper ge-
ausreichenden Anstieg der Thrombozytenwerte [109].
testet waren, beobachtet. Die Untersuchung weist jedoch me-
In der Vergangenheit wurde die Transfusion mütterlicher
thodische Mängel auf, so dass die Resultate nicht verallge-
Thrombozyten oft der Gabe unausgewählter Präparate vorge-
meinert werden sollten [99]. Eine kürzliche Meta-Analyse
zogen [104]. Mütterliche Thrombozyten sind aus organisatori-
sieht einen geringen Vorteil CMV-Antikörper-getesteter Blut-
schen Gründen jedoch häufig nur mit erheblicher zeitlicher
produkte bei allogener Stammzelltransplantation [100].
Verzögerung zu erhalten. Außerdem sollte in einem weiteren
Wir empfehlen bei Verwendung leukozytendepletierter
Zentrifugationsschritt das mütterliche Plasma entfernt und
Thrombozytenpräparate keine weitere Berücksichtigung des
CMV-Antikörper-Status des Thrombozytenkonzentratspen-
In Deutschland sind in zahlreichen Blutspendediensten HPA-
typisierte Spender verfügbar [110]. Damit kann ein HPA-1a-
negatives Thrombozytenkonzentrat meist kurzfristig zur Ver-fügung gestellt werden. Zum Einsatz i.v. Immunglobuline bei
Diese Empfehlung steht im Widerspruch zu dem derzeit in
Neugeborenen mit FNAIT gibt es nur wenige dokumentierte
den Richtlinien zur Bluttransfusion geforderten Vorgehen bei
Beobachtungen [103]. Wenn überhaupt, kann nur mit einem
CMV-negativen Stammzellempfängern nur CMV-negativ ge-
verzögerten Wirkungseintritt gerechnet werden.
testete Thrombozytenkonzentrate zu transfundieren.
Wir empfehlen bei einem Neugeborenen mit Verdacht aufFNAIT und Blutungsgefahr (Thrombozyten < 30 000/µl reifesNeugeborenes, < 50 000/µl Frühgeborene) die prophylaktische
Fetale und neonatale Alloimunthrombozytopenie
Transfusion von HPA-1a- und HPA-5b-negativen Thrombozyten. Bewertung der Empfehlung: 2C
Die fetale und neonatale Alloimmunthrombozytopenie(FNAIT) wird durch Immunisierung der Mutter gegen ein fe-
Greinacher/Kiefel/Klüter/Kroll/Pötzsch/Riess
Wir empfehlen, sollten HPA-1a-, und HPA-5b-negative
hinderung pränataler intrakranieller Blutungen kommen fe-
Thrombozyten nicht ohne Zeitverzögerung verfügbar sein, bei
tale Thrombozytentransfusionen und die Gabe i.v. Immunglo-
Thrombozytenwerten < 30 000/µl oder Blutung zunächst un-
buline an die Mutter in Frage [113, 114]. Es gibt keine rando-
ausgewählte Thrombozyten zu transfundieren.
misierten Studien zum Vergleich der beiden Therapieverfah-
ren. In einer europäischen Studie zeigte sich eine vergleichba-
Wir raten davon ab, blutungsgefährdete Neugeborene mit
re Wirksamkeit beider Therapieformen. Allerdings war die
Verdacht auf FNAIT nur mit i.v. IgG zu behandeln.
Komplikationsrate bei intrauterinen Transfusionen höher
[112]. Bei erneuter Schwangerschaft einer Frau mit einemKind mit FNAIT empfehlen wir die Kontaktaufnahme miteinem erfahrenen pränatalmedizinischen Zentrum. Thrombozytentransfusionen bei bekannter FNAIT
Wir empfehlen, bei bekannter Immunisierung der Mutter und
Bei Frauen mit bekanntem thrombozytären Alloantikörper ist
FNAIT mit Blutungsgefahr (Thrombozyten < 30 000/µl reifes
in einer Folgeschwangerschaft in über 95% erneut mit einer
Neugeborenes, < 50 000/µl Frühgeborene) prophylaktisch
FNAIT zu rechnen [111]. Dabei sind die folgenden Kinder
HPA-kompatible Thrombozyten zu transfundieren.
eher stärker betroffen als das erste Kind [111, 112]. Zur Ver-
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fetal alloimmune thrombocytopenia is not a single
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event: characterization by the combined use of
with intravenous gamma-globulin: a randomized
reference DNA and novel allele-specific cell
trial of the addition of low-dose steroid to intra-
lines expressing recombinant antigens. Transfu-
venous gamma-globulin. Am J Obstet Gynecol
Management of chronic pain in the elderly: focus on transdermal buprenorphine Abstract: Chronic pain in the elderly is a signifi cant problem. Pharmacokinetic and metabolic changes associated with increased age makes the elderly vulnerable to side effects and overdosing associated with analgesic agents. Therefore the management of chronic cancer pain and chronic nonmalignant pain in this gr