D. Rothenbacher1 G. Rüter2 Versorgung von Patienten mit Typ-2-Diabetes Ergebnisse aus 12 Hausarztpraxen H. Brenner1 Management of patients with type 2 diabetes: results in 12 practices of general practitioners Hintergrund und Fragestellung: Die Versorgung von Patienten Background and objective: The care of patients with type 2 di-
mit Diabetes mellitus (DM) Typ 2 ist medizinisch und sozialpoli-
abetes mellitus (2DM) is of great medical and sociopolitical im-
tisch von größter Bedeutung. Viele dieser Patienten werden aus-
portance. Many such patients are well provided for exclusively
schließlich durch hausärztliche Betreuungsstrukturen erreicht.
within general practice (general practitioners). But evidence
Fundierte Daten aus dieser Versorgungsebene sind bisher knapp.
based data of this level of medical care has been scarce. Our stu-
In unserer Untersuchung sollten daher Struktur und Versorgung
dy reports the experience of the structure and medical manage-
eines bevölkerungsbezogenen Kollektivs von Patienten mit DM
ment of a population-representative collective of patient with
in der hausärztlichen Versorgung beschrieben werden.
2DM under the care of general practitioners. Patienten und Methodik: In die Erhebung wurden alle Typ-2-Dia- Patients and methods: Included were all type 2 diabetics seen
betiker eingeschlossen, die im Quartal 2/2000 eine von 12 Hausarzt-
by 12 general practitioners (from two regions) during the se-
praxen (Allgemeinärzte und hausärztlich tätige Internisten aus 2 re-
cond quarter of 2000. Standardized questionnaires for both pa-
gionalen Qualitätszirkeln) aufsuchten. Mittels standardisierter Arzt-
tients and doctors provided the basic data on 2DM, other illnes-
und Patientenfragebögen wurden die Basisdaten zum DM, zu Be-
ses, symptoms, relevant items on life style and quality of life re-
gleiterkrankungen, Symptomen, relevanten Lebensgewohnheiten
lated to health. Data on patients living in care homes or visited
und zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität erhoben. Heimbe-
in their home were handled separately.
wohner und Hausbesuchspatienten wurden separat erfasst. Results: The collective consisted of 1065 patients with 2DM, Ergebnisse: Insgesamt konnten 1065 Patienten im Alter ab 40 Jah-
aged over 40 years. Many of them had associated illnesses: hy-
ren mit DM Typ 2 in die Auswertung einbezogen werden. Die Pati-
pertension in 71%, hypercholesteremia in 53%, coronary heart
enten wiesen eine erhebliche Komorbidität auf. So hatten 71% eine
disease in 29%. Mean values of relevant metabolic parameters
Hypertonie, 53% eine Hypercholesterinämie, 29% eine koronare
were: HbA1c 7.1%, total cholesterol 221.4 mg/dl. Many patients
Herzerkrankung. Werte relevanter Stoffwechselparameter lagen
were clearly overweight and had other risk factors. Patient com-
bei (Mittel): HbA1C 7,1%, Gesamtcholesterin 221,4mg/dl. Eine er-
pliance, as reported by their doctors, were „very good“ or
heblicher Anteil der Patienten wies ein manifestes Übergewicht
„rather good“ in 63%, while „very poor“ or „rather poor“ in 36%.
und weitere Risikofaktoren auf. Die Ärzte beschrieben die Patien-
Conclusions: Patients with 2DM under the care of general prac-
ten-Compliance für 63% der Pateinten als „sehr gut“ oder „eher
titioners had a high incidence of associated illnesses. The quality
gut“, für 36% der Patienten als „sehr schlecht“ oder „eher schlecht“.
of medical care, as measured by relevant metabolic vales, e.g. Folgerungen: Patienten mit DM in der hausärztlichen Versorgung
HbA1c were apparently good. Lipid-lowering drugs and aspirin
weisen eine erhebliche Komorbidität auf. Die Versorgungsquali-
should be given more widely to decrease cardiovascular events.
tät, gemessen an relevanten Stoffwechselparametern wie z.B.
Primary prevention (especially more exercise and weight loss)
dem HbA1C, erscheint gut. Die Behandlung mit Lipidsenkern und
and better compliance should be intensified in future.
ASS zur Minderung kardiovaskulärer Ereignisse sollte intensiviertwerden. Handlungsbedarf wird in der Primärprophylaxe (insbe-sondere Vermeidung von Bewegungsmangel und Übergewicht)und bei der Verbesserung der Compliance gesehen. Institut
1 Abtlg. für Epidemiologie des Deutschen Zentrums für Alternsforschung (DZFA)
(Direktor: Prof. Dr. med. H. Brenner) an der Universität Heidelberg
2 FA f. Allgemeinmedizin; Benningen/Neckar
Korrespondenz
Priv.-Doz. Dr. med. Dietrich Rothenbacher · Abtlg. Epidemiologie
an der Universität Heidelberg · Bergheimer Straße 20 · 69115 Heidelberg · Tel.: 06221/548146 ·
Fax: 06221/548142 · E-Mail: rothenbacher@dzfa.uni-heidelberg.de
eingereicht: 30.11.2001 · akzeptiert: 30.4.2002 Bibliografie
Dtsch Med Wochenschr 2002; 127: 1183–1187 · Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472
Der Diabetes mellitus ist eine der häufigsten Stoffwechseler-
Koronare Herzerkrankung: mindestens ein Kriterium aus: Koro-
krankungen in den industrialisierten Ländern. Etwa 5% der
narangiographie, Ergometrie, Echokardiogramm und nitroposi-
Deutschen leiden daran (9), 90% davon haben den Typ-2-Diabe-
tive Angina pectoris; Herzinfarkt: mindestens 2 Kriterien aus
tes. Unter den 60- bis 69-Jährigen liegt die Prävalenz bereits bei
CK-Anstieg, EKG, Echo, Koronarangiographie, Szintigraphie oder
15% und nimmt im höheren Lebensalter weiter zu (15). Da der
klinischem Bild; Schlaganfall: Z.n. TIA oder Apoplex, Klinik;
Anteil der älteren Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten
pAVK: ab Lafontaine II (Claudicatio intermittens), (fakultativ pa-
deutlich zunehmen wird, ist mit einer erheblichen Zunahme der
thologischer Fußpulsbefund, US-Doppler, wenn vorhanden);
Zahl der an Typ 2-Diabetes erkrankten Personen und dem damit
Mikroalbuminurie: Proteinurie (z.B. Combur) oder 2x pos. Mic-
verbundenen Versorgungsbedarf zu rechnen.
ral-Test ab 20 mg/dl; Retinopathie: Augenarztbefund.
Mindestens zwei Drittel der Typ-2-Diabetiker haben zusätzlich
Datenerhebung
zu ihrer Grunderkrankung noch andere Krankheiten wie Hyper-
In einem zuvor erstellten Erhebungsmanual wurden die Grundsät-
tonie und Fettstoffwechselstörungen (1, 3). Diabetiker haben ein
ze einer einheitlichen Datenerhebung und die Definition der ein-
besonders hohes Risiko arteriosklerotisch bedingter Folgekrank-
zelnen Zielkriterien beschrieben. Die an der Erhebung beteiligten
heiten: Das Risiko für einen Herzinfarkt ist ca. 6fach, das Risiko
Praxisteams wurden entsprechend geschult. Die Patienten wurden
für einen Schlaganfall ca. 10fach erhöht. Weitere Folgekrankhei-
nach entsprechender Aufklärung gebeten, einen nur mit einer
ten sind die Nephropathie mit der Gefahr der Dialysepflichtigkeit,
Kennnummer versehenen standardisierten Fragebogen auszufül-
die Retinopathie mit der Gefahr der Erblindung, die periphere ar-
len. Der Patientenfragebogen erfasste Informationen zum Diabe-
terielle Verschlusskrankheit und die Neuropathie, die bis hin zur
tes mellitus, zu Begleiterkrankungen, Symptomen, relevanten Le-
Amputation der betroffenen Gliedmaße führen kann (2, 13). Ne-
bensgewohnheiten (z.B. zur körperlichen Aktivität, zum Zigaret-
ben vielem persönlichen Leid resultieren daraus ein immenser
tenrauchen, zum Alkoholkonsum, zur Blutzuckerselbstkontrolle)
Versorgungsbedarf und erhebliche direkte und indirekte Folge-
und zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Vom Arzt wurde
kosten für die Gesellschaft (10–12). Auch mit aus diesen Gründen
ebenfalls ein entsprechender Fragebogen ausgefüllt, in dem Infor-
ist die Versorgung von Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ
mationen zur Medikation, zu bekannten Begleiterkrankungen
2 medizinisch und sozialpolitisch von größter Bedeutung.
(nach einem zuvor definiertem Kriterienkatalog), zu aktuellen La-borbefunden (alle Laborparameter wurden im selben Labor be-
Viele der Patienten mit Diabetes mellitus werden ausschließlich
stimmt) und zum Blutdruck, zu Größe und Gewicht, und zur Pati-
durch hausärztliche Betreuungsstrukturen erreicht. Fundierte Da-
ten aus dieser Versorgungsebene sind aber bislang sehr knapp. Inunserer Untersuchung sollten daher bestimmte Merkmale der Ver-
Statistische Auswertung
sorgung, der Versorgungsbedarf sowie das Risikoprofil, die Compli-
Die soziodemographischen und klinischen Merkmale der Pati-
ance und die gesundheitsbezogene Lebensqualität eines bevölke-
enten wurden deskriptiv dargestellt. Für die relevanten Para-
rungsbezogenen Kollektivs von Patienten mit Diabetes mellitus in
meter wurde der arithmetische Mittelwert berechnet und die
der hausärztlichen Versorgung erhoben und dargestellt werden.
Standardabweichung angegeben. Die vollständig anonymisier-ten Daten wurden im Deutschen Zentrum für Alternsforschungzusammengeführt und aufbereitet. Die Auswertungen wurden
Patienten und Methodik
mit dem Statistikpaket SAS durchgeführt. Studiendesign und Untersuchungspopulation In diese Querschnittuntersuchung wurden alle Typ-2-Diabeti- Ergebnisse
ker eingeschlossen, die im Quartal 2/2000 eine von zwölf Haus-arztpraxen aufsuchten (zehn Allgemeinärzte und hausärztlich
Insgesamt konnten in den zwölf Hausarztpraxen im 2. Quartal
tätige Internisten aus einer geographisch zusammenhängenden
2000 1065 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 im Alter ab 40
Region um Marbach/Neckar, die sich in einem allgemeinen Qua-
Jahren und älter in die Auswertung einbezogen werden. Die
litätszirkel zusammenschlossen und zwei Praxen aus einem be-
Teilnahmequote lag bei 88%. Von den Patienten waren 918
nachbarten Qualitätszirkel). Es wurden auf freiwilliger Basis alle
(86%) während der regulären Sprechzeiten in die Praxen ge-
Patienten in die Untersuchung eingeschlossen, die im Erhe-
kommen („Praxispatienten“) und 147 (14%) wurden während
bungszeitraum in die Praxis kamen und bei denen nach den Kri-
einer Visite zu Hause oder im Alten- oder Pflegeheim erfasst
terien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (14) ein Diabetes
(„Heimbewohner bzw. Hausbesuchspatienten“). Die Prävalenz
mellitus bekannt war (nicht nüchtern gemessener Blutzucker
des Diabetes mellitus im Patientengesamtkollektiv aller betei-
von>200mg/dl oder ein Nüchternblutzucker von ≥126mg/dl).
ligten Praxen lag im entsprechenden Quartal bei 6,4%.
Patienten, die im Rahmen regelmäßiger Hausbesuche vom Arztversorgt werden (inkl. Alten- und Pflegeheimbewohner), wur-
Tab.1 zeigt die wichtigsten soziodemographischen Merkmale
den nach denselben Kriterien separat erfasst, sofern im Erhe-
der Patienten. Bei den Praxispatienten war das Geschlechtsver-
bungszeitraum ein Arzt-Patientenkontakt bestand.
hältnis in etwa ausgeglichen, während bei den Heimbewohnernbzw. Besuchspatienten die Frauen deutlich überwogen. Der
Komorbiditäten wurden nach den folgenden Diagnosekriterien
Großteil der Praxispatienten war zwischen 50 und 79 Jahren alt
erhoben (alternativ: Übernahme aus Facharztbefund): Hyper-
(87%) und war verheiratet (71%). Bei den Heimbewohnern bzw.
cholesterinämie: mehrmals gemessener Cholesterinspiegel
Besuchspatienten war die Mehrheit 80 Jahre oder älter (52%)
über 220mg/dl; Arterielle Hypertonie: nach WHO-Kriterium;
Dtsch Med Wochenschr 2002; 127: 1183–1187 · D. Rothenbacher et al., Versorgung von Patienten.
Soziodemographische und andere Merkmale der Patien-
Tab.3 Hypercholesterinämie und bekannte Begleiterkrankungen.
ten mit Diabetes mellitus Typ 2; MW =Mittelwert,
Praxis- Heimbewohner Gesamt patienten bzw. Besuchs- patienten Praxispatienten Heimbewohner bzw. Gesamt 918 (86%) Besuchspatienten 1065 147 (14%) n (%) n (%) n (%) Praxis- Heimbewohner Gesamt patienten bzw. Besuchs- patienten
Bekannte Dauer und Therapie des Diabetes mellitus. Praxis- Heimbewohner Gesamt patienten bzw. Besuchs- patienten
Wie aus Tab.3 zu ersehen ist, war bei den Patienten eine erheb-
liche Komorbidität festzustellen. Diese betraf bei den diabete-
Bekannte Dauer des
sassoziierten Folgeerkrankungen die Heimbewohner und Be-
Diabetes (Jahre) Tab.4 zeigt die sonstige Medikation der Praxispatienten und
den Heimbewohnern und Besuchspatienten. Etwa jeder zweite
wurde mit ACE-Hemmern und Diuretika behandelt. 23% erhiel-
Therapie des Diabetes
ten Acetylsalicylsäure (ASS) und Betablocker. Etwas mehr als je-
mellitus – Diätetisch (keine Antidiabetika)
In Tab.5 sind verschiedene Zielparameter der Diabetestherapie
dargestellt. Der arithmetische Mittelwert der HbA1C -Werte der
Praxispatienten lag bei 7,1% (SD 1,4) und bei den Heimbewoh-
nern und Besuchspatienten bei 7,2% (SD 1,6). Das Gesamtcho-
lesterin lag im Mittel bei 221,4mg/dl (SD 44,0), der Body Mass
Medikamentenkombinationen– Insulintherapie und Sulfonyl-
Index betrug im Mittel 29,4kg/m2. Der systolische Blutdruck lag
im Mittel bei 145,2 mmHg (SD 19,6), der diastolische bei 82,1
mmHg (SD 9,1) (wurde nur bei den Praxispatienten gemessen). – Sulfonylharnstoffe und Metformin 18%
In Bezug auf die körperliche Aktivität gaben 38% aller Praxispati-enten an, weniger als 1h pro Woche einer körperlichen Betäti-
Bei dem überwiegenden Teil der Patienten war der Diabetes schon
gung nachzugehen, die sie ins Schwitzen brächte. 9% der Pra-
5 Jahre oder länger bekannt (Tab.2). Nach Arztangaben wurde bei
xispatienten gaben an, derzeit Zigaretten zu rauchen, 39% gaben
32% der Patienten der Diabetes nur diätetisch behandelt. Eine In-
an, keinerlei Alkohol zu trinken. Bei den Personen, die nach eige-
sulintherapie erhielt ca. jeder 4. Patient. 36% hatten Sulfonylharn-
nen Angaben Alkohol tranken, lag der Median bei 75g pro Woche.
stoffe, 32% Metformin verordnet bekommen. Bei Kombinationmehrerer Wirkprinzipien wurden am häufigsten Sulfonylharnstof-
Tab.6 zeigt u.a. die Einschätzung der Patientencompliance
fe mit Metformin kombiniert (16%). Tendenziell erhielten die Pra-
durch den Arzt: Insgesamt wurde für 18% bzw. 45% der Patien-
xispatienten mehr orale Antidiabetika im Vergleich zu den Heim-
ten die Compliance als „sehr gut“ bzw. „eher gut“ eingeschätzt,
bewohnern bzw. den Besuchspatienten (Acarbose wurde nicht ge-
bei 30% bzw 6% als „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“. Im Ver-
sondert registriert, Repaglinide sollte nach Vereinbarung als insulo-
gleich zu den Praxispatienten wurde dabei die Compliance bei
trope Substanz unter den Sulfonylharnstoffen subsummiert werden).
den Heimbewohnern bzw. bei den Besuchspatienten schlechter
Dtsch Med Wochenschr 2002; 127: 1183–1187 · D. Rothenbacher et al., Versorgung von Patienten.
Patientencompliance und Anteil der Patienten mit regel-
MW =Mittelwert, SD =Standardabweichung.
mäßiger Blutzuckerselbstkontrolle sowie Einschätzung
*Angaben nur von den Praxis- Heimbewohner Gesamt Praxispatienten patienten bzw. Besuchs- *Angaben nur von den Praxis- Heimbewohner Gesamt patienten Praxispatienten patienten bzw. Besuchs- HbA1C (%) patienten Patientencompliance Gesamtcholesterin (Arztangaben) Body Mass Index (kg/m2) *Blutdruck (mmHg) *Regelmäßige Blutzucker- selbstkontrolle *Körperliche Aktivität *Gesundheitszustand im All- – ≤ 1h/Woche körperliche gemeinen (Patientenangaben) *Zigarettenrauchen *Alkoholkonsum – abstinent
Die Basismerkmale der in der vorliegenden Studie eingeschlosse-
nen Patienten decken sich in eindrucksvoller Weise mit den
Merkmalen einer anderen nationalen Studie, wie sie bei 135 ver-
schieden Ärzten der Primarversorgung an 809 Patienten gewon-
nen wurden (11). Geschlechts- und Altersverteilung sowie BodyMass Index beider Kollektive sind nahezu identisch. Allerdings
eingeschätzt. Von den Praxispatienten gaben 48% an, den Blut-
waren wesentliche Zielparameter der Diabetestherapie in dem
zuckerspiegel regelmäßig selbst zu messen. Nach eigenen Anga-
hier präsentierten Patientenkollektiv wesentlich günstiger aus-
ben beurteilten 5% ihren derzeitigen Gesundheitszustand im
gefallen. Dies trifft auch im Vergleich zu einer anderen Studie zu,
Allgemeinen als „ausgezeichnet“ oder „sehr gut“, 53% als „gut“,
die 1994 an einer repräsentativen Stichprobe von 200 Patienten
und 37% als „weniger gut“; nur 5% bezeichneten ihren Gesund-
aus elf Praxen durchgeführt wurde (8). Da die wesentlichen
Strukturmerkmale der Patienten so vergleichbar scheinen, könn-te das günstigere Ausfallen des HbA1C-Wertes evt. bereits durchmittlerweile eingetretene Forschritte bei der Diabetikerbetreu-
Diskussion
ung begründet sein. Es ist jedoch auch denkbar, dass die Versor-gungsqualität bei Praxen, die einem allgemeinen Qualitätszirkel
Die vorgelegte Querschnittuntersuchung an über 1000 Patienten
angehören, besser ist als in anderen Praxen.
mit Diabetes mellitus aus 12 hausärztlichen Praxen in einer geo-graphisch definierten Region zeigt, dass die Zielparameter der Di-
Gemessen an den Empfehlungen der Fachgesellschaften ist die
abetesbehandlung, die für die Beurteilung der Versorgung oft he-
medikamentöse Betreuung der Patienten noch suboptimal (14), so
rangezogen werden (z.B. HbA1C) für einen Großteil der Patienten
hatten nur 23% der Patienten ASS und nur 12% Lipidsenker. Eine
mit einem Mittel von 7,1% in einem guten Bereich liegen, beleuch-
Intensivierung der Therapie entsprechend den Empfehlungen
tet aber auch verschiedene Versorgungsdefizite, wie beispielswei-
würde zunächst zu erheblichen Mehrkosten führen. Der deutsche
se eine noch immer recht niedrigen Versorgungsgrad mit ASS und
Arm der Code-Studie hat aber gezeigt, dass die Hauptkosten bei
Lipidsenkern. Bemerkenswert ist, dass dieses Patientenkollektiv
der Diabetikerbetreuung durch stationäre Krankenhausaufenthal-
eine ganz erhebliche Komorbidität und damit einen erheblichen
te wegen Diabetes-assoziierter Erkrankungen entstehen (11).
Versorgungsbedarf aufweist. Durch den demographischen Wan-del mit einer Zunahme der älteren Bevölkerung und der daraus
Eine intensivere Betreuung und verbesserte medikamentöse
resultierenden Zunahme des Diabetes mellitus wird dieser Ver-
Versorgung wirkt sich weiteren Studien zufolge positiv auf na-
sorgungs- und der daraus resultierende Ressourcenaufwand zu-
hezu alle assoziierten Endpunkte aus (16, 17). So ist belegt, dass
künftig noch weiter zunehmen. Eine Kampagne zur Besserung des
auch die konsequente Behandlung der Hypertonie mit einer Re-
Risikoprofils mit der Reduzierung der bekannten Risikofaktoren
duzierung der diabetes-assoziierten vaskulären Erkrankungen
wie Bewegungsarmut, Reduzierung des Übergewichts und Ein-
wie Herzinfarkt und Apoplex verbunden ist. Dies wurde auch
stellung des Rauchens zusammen mit einer notwendigen Verbes-
insbesondere für ältere Patienten klar belegt. Es ist auch ein-
serung der Patientencompliance stellen vordringliche Konzepte
drucksvoll gezeigt worden, dass die Entstehung von mikrovas-
zur Verbesserung des Behandlungsergebnisses dar.
kulären Folgeerkrankungen direkt mit der Höhe des HbA1C-Wertes korreliert. Die nun primär mit einer intensivierten Be-
Dtsch Med Wochenschr 2002; 127: 1183–1187 · D. Rothenbacher et al., Versorgung von Patienten.
handlung zusammenhängenden Kosten sind aus diesen Grün-
borergebnisse dürfte ebenfalls ohne Probleme sein, da alle an der
den langfristig also wesentlich niedriger als die sonst eintreten-
Studie beteiligten Ärzte ein gemeinsames Labor nutzten.
den nachfolgenden Krankheitskosten (4, 5).
Da es sich bei der Behandlung des Diabetes mellitus um eine Er-
krankung handelt, bei der die Mitarbeit des Patienten eine sehrbedeutsame Rolle für die künftige Entwicklung des Gesund-
Trotz der genannten Einschränkungen lassen sich die folgenden
heitszustandes spielt, und die Patientencompliance von ärztli-
Schlussfolgerungen ziehen: Patienten mit Diabetes mellitus in der
cher Seite in der vorliegenden Studie bei über einem Drittel al-
hausärztlichen Versorgung weisen eine erhebliche Komorbidität
ler Patienten (36%) als eher schlecht oder sehr schlecht beurteilt
und einen erheblichen Versorgungsaufwand auf. Die Versor-
wurde, scheint es dringend angezeigt, verstärkt die Parameter
gungsqualität, gemessen an relevanten Stoffwechselparametern
zu identifizieren, die eine verbesserte Patientencompliance und
wie dem HbA1C, erscheint bei der Mehrheit der Patienten als gut.
ein krankheitsadäquates Verhalten der Patienten fördern. Da-
Die Behandlung mit Lipidsenkern und ASS zur Minderung kardio-
bei muss die ganz spezielle Situation des Patienten und seiner
vaskulärer Ereignisse sollte intensiviert werden. Dringender
direkten Umgebung stärker als bisher einbezogen werden.
Handlungsbedarf wird in der weiteren Reduzierung des Risikofak-
Durch ein besseres Verständnis der Faktoren, die einem effekti-
torenprofils (Kampagne zur Vermeidung von Übergewicht und
veren Selbstmanagement im Wege stehen, könnten sich auch
Bewegungsmangel, Einstellung des Rauchens, Ernährungsbera-
neue didaktische Wege in der Diabetesschulung ergeben. Durch
tung) und bei der Verbesserung der Compliance gesehen. Zukünf-
eine Steigerung der Intensität bei der Diabetikerschulung allein
tige Forschung sollte auch verstärkt die Faktoren identifizieren,
lässt sich den Resultaten einer vergleichenden Studie zur Folge
die einem erfolgreichen (Selbst-) Management der Erkrankung
kein besseres Resultat erzielen (6).
unter Betreuung des Arztes im Wege stehen.
Neben Patientenmerkmalen sind aber auch beeinflussbare Faktoren
Danksagung: Wir danken allen Patienten für die Beteiligung
innerhalb der Arztpraxen, beispielsweise ein guter Teamgeist, mit
und den Praxen der Dres. Faust, Gierath, Heilgeist/Wirth, Jörger/
guten Resultaten bei der Betreuung von Patienten mit chronischen
Schrödter/Müller, Kieferle, Lang, Rauchstädt, Rüter/Walliser-
Erkrankungen (auch speziell bei Patienten mit DM) assoziiert (3).
Klöpfer, Schlotzer, Spiel, Stephan/Lechner, Strodbeck für diesehr gute Kooperation bei der Erhebung.
Bei der Betrachtung der Studienergebnisse sollten folgende Ein-schränkungen nicht vergessen werden: Für bereits zum Zeit-
Literatur
punkt der Basiserhebung multimorbide Patienten, die zum Aus-
1 Berger M. Diabetes mellitus. München: Urban und Schwarzenberg, 1994
füllen eines Fragebogens bzw. zum Besuch in der ärztlichen
2 Bischof F, Armbruster R, Baier A et al. Die Komplikationsrate beim Altersdi-
Sprechstunde nicht in der Lage waren, erfolgte die Dokumenta-
abetes wird bei weitem unterschätzt. Ärztebl Baden-Württemb 1995; 9:372–374
tion durch den Hausarzt im Rahmen eines regulären Hausbe-
3 Campbell SM, Hann M, Hacker J et al. Identifying predictors of high quality care
suchs (bzw. eines Besuchs im Alten- bzw. Pflegeheim) auf ei-
in English general practice: observational study. Brit Med J 2001; 323: 1–6
4 Diabetes Control and Complications Trial Research Group. Lifetime benefits
nem gesonderten Erhebungsbogen. Bei diesen Patienten liegen
and costs of intensive therapy as practiced in the diabetes control and com-
keine Eigenangaben vor. Sie wären auch schwer zu bewerten,
plications trial. JAMA 1996; 276: 1409–1415
5 Gray A, Raikou M, McGuire A et al. Cost effectiveness of an intensive blood glu-
da bei vielen dieser Patienten Orientierungsstörungen vorlagen;
cose control policy in patients with type 2 diabetes: economic analysis along-
so wiesen nach Arzteinschätzung 32% eine Desorientierung zur
side randomised controlled trial (UKPDS41). Brit Med J 2000; 320: 1373–1378
6 Haisch J. Effektivität und Effizienz ambulanter Diabetikerschulungen. Dtsch
Zeit und 29% zur Situation auf. Dieses Kollektiv darf aber bei der
Betrachtung der hausärztlichen Betreuungsebene nicht verges-
Hauner H, Kurnaz AA, Groschopp C, Haastert B, Feldhoff KH, ScherbaumWA. Versorgung von älteren Diabetikern durch ambulante Pflegedienste in
sen werden, da es sich um Patienten mit z. T. erheblichem Ver-
der Region Heinsberg. Dtsch Med Wochenschr 2000; 125: 655–659
sorgungsaufwand handelt und die Versorgungssituation ganz
Hauner H, Tilenius H, Haaster B, von Ferber L. Versorgung von Diabetikernin hausärztlichen Praxen. Diab Stoffw 1997; 6: 139–144
speziell ist. Oft finden sich hier besonders verbesserungswürdi-
9 Hauner H, von Ferber L, Köster I. Schätzungen der Diabeteshäufigkeit in der
ge Umstände, wie eine Untersuchung an von ambulanten Pfle-
Bundesrepublik Deutschland anhand von Krankenkassendaten. Dtsch MedWochenschr 1992; 117: 645–650
gediensten betreuten Personen mit Diabetes mellitus zeigte (7).
10 Leese B. Economic Evaluations of Type 2 Diabetes. Pharmaco Economics
11 Liebl A, Neiß A, Spannheimer A, Reitberger U, Wagner T, Görzt A. Kosten des
Da die meisten Patienten mit Diabetes mellitus mindestens ein-
Typ 2-Diabetes in Deutschland. Dtsch Med Wochenschr 2001; 126: 585–589
mal im Quartal von ihrem Hausarzt betreut werden, kann in der
MacLeod KM, Tooke J. Direct and Indirect Cost of Cardiovascular and Cere-brovascular Complications of Type 2 Diabetes. Pharmaco Economics 1995;
vorliegenden Erhebung von einer fast vollständigen Rekrutierung
der in der jeweiligen Praxis betreuten Diabetiker ausgegangen
Mehnert H, Schöffling K, Standl E, Usadel KH. Diabetologie in Klinik undPraxis. New York: Thieme Stuttgart, 1994
werden. Durch den Zusammenschluss aller Hausärzte (Allge-
14 Qualitätsrichtlinien und Qualitätskontrolle von Therapie- und Schulungs-
meinärzte, hausärztlich tätige Internisten) einer Region wurden
einrichtungen für Typ-2-Diabetiker, Richtlinien der Deutschen DiabetesGesellschaft. Diabetologie Richtlinien 1996; 2: 95–97
bei dem beschriebenen Vorgehen nahezu alle hausärztlich be-
15 Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Gesundheitsbericht für Deutschland.
treuten Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 in einer geogra-
16 UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group. Intensive blood-glucose
phisch definierten Region mit ländlichen und städtischen Ent-
control with sulphonylureas or insulin compared with conventional treat-
wicklungsstrukturen erfasst. Die Ergebnisse werden auf ähnlich
ment and risk of complications in patients with type 2 diabetes (UKPDS 33). Lancet 1998; 352: 837–853
strukturierte Gebiete übertragbar sein, auch wenn durch die Zu-
17 UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group. Effect of intensive blood-
sammenarbeit in einem allgemeinen Qualitätszirkel in der Unter-
glucose control with metformin on complications in overweight patientswith type 2 diabetes (UKPDS 34). Lancet 1998; 352: 854–865
suchungsregion möglicherweise besonders günstige Vorausset-zungen herrschen. Eine zusammenfassende Darstellung der La-
Dtsch Med Wochenschr 2002; 127: 1183–1187 · D. Rothenbacher et al., Versorgung von Patienten.
l ‘aratro quel giorno era rincasato prima del solito sentiva la primavera l’aria era dolce quasi calda e si era stancato di lavorare i campi lui con il suo aratro se ne andava su e giù per i campi per i suoi campi lui era fiero dei suoi campi arati arati da lui e lui guardava il terreno lui sì guardava la terra e ne era fiero guardava la terra che si alzava ogni zolla di terra si alza
A pooled analysis of two placebo-controlled trials ofdesvenlafaxine in major depressive disorderDaniel Z. Liebermana, Stuart A. Montgomeryb, Karen A. Tourianc,Claudine Brisardd, Gregory Rosasc, Krishna Padmanabhanc,Jean-Michel Germaind and Bruno PitroskydThe efficacy, safety, and tolerability of desvenlafaxineand placebo, respectively; magnitude of effect = – 0.37(administered as desvenlafaxi