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Interaktionen zwischen Antiepileptika und Antidepressiva / Neuroleptika
Jürgen Drewe, Klinische Pharmakologie und Toxikologie,
Universitätsspital Basel

Zusammenfassung
teractions pharmacocinétiques potentielles entre lesantiépileptiques et les autres médicaments revêt une Antiepileptika werden bei verschiedenen Erkrankun- grande importance. Ce travail donne un aperçu des gen gemeinsam mit Antidepressiva und Neuroleptika principales interactions possibles, ainsi que des interac- eingesetzt: in der Therapie chronischer Schmerzsyndro- tions importantes observées dans la pratique clinique.
me, bei der Therapie und Prophylaxe der Migräne sowiebei der Therapie der bipolaren Störungen. Da alle dreiMedikamentengruppen zum Teil sehr wesentlich über Einleitung
enzymatische Reaktionen metabolisiert werden (Cyto-chrom 450-vermittelte Phase I- und Konjugations- (Pha- Arzneimittelinteraktionen (AI) können auftreten, se II)-Reaktionen), ist die Frage möglicher pharmakoki- wenn zwei oder mehr Wirkstoffe gleichzeitig verab- netischer Interaktionen zwischen den Antiepileptika reicht werden. Dabei steigt das Risiko für AI mit der An- und den anderen Medikamenten relevant. Diese Arbeit zahl der eingesetzten Substanzen [1]. Epilepsiepatien- gibt einen Überblick über die wichtigsten Interaktions- ten, die für eine erfolgreiche Anfallsprophylaxe eine möglichkeiten sowie die klinisch beobachteten relevan- Kombinationsbehandlung benötigen, oder die noch andere Begleiterkrankungen haben, sind somit einemerhöhten Risiko für AI ausgesetzt.
Epileptologie 2006; 23: 24 – 28
Neben den häufigen pharmakokinetischen AI, bei denen die Konzentration von einem oder mehreren Schlüsselwörter: Antiepileptika, Neuroleptika, Anti-
Wirkstoffen durch die Kombinationsbehandlung verän- dert werden, existieren pharmakodynamische AI, wo eszu synergistischen wünschenswerten oder toxischenWirkungen oder antagonistischer Beeinflussung der Interactions between Anticonvulsant and Anti-
Wirkung ohne Konzentrationsveränderungen der ein- depressive / Antipsychotic Drugs
zelnen Wirkstoffe kommt. Im Folgenden werden nur dieAI zwischen einzelnen Antiepileptika (AE) und jeweils Antiepileptic drugs are used together with antide- einzelnen Neuroleptika oder Antidepressiva behandelt.
pressive or antipsychotic drugs in the treatment of dif- AI innerhalb der drei Medikamentengruppen sind in ferent disorders: in the therapy of chronic pain syn- verschiedenen Reviews bereits beschrieben worden [2, dromes, in the therapy and prophylaxis of migraine and 3]. Viele AI sind zwar aufgrund des metabolischen Profi- in the therapy of bipolar disorder. Since all three groups les der drei Medikamentengruppen (Tabellen 1-3) theo-
of drugs are mostly degraded by enzymatic reactions retisch möglich, eine klinische Relevanz ist aber nur für (cytochrome P450 mediated (phase I) and conjugation wenige gezeigt worden [4-6]. Nur auf diese wird im (phase II) reactions), the problem of potential pharma- cokinetic interactions between the antiepileptic and Ein hohes Potenzial an pharmakokinetischen AI the other drugs is important. This article gives an over- besitzen die enzyminduzierenden AE wie Phenytoin, view on the most important theoretically possible Carbamazepin und Phenobarbital. Sie erhöhen den interaction as well as on clinically observed relevant Metabolismus und führen ohne Dosisadaptation mögli- cherweise zu einem Wirkungsverlust. Deshalb sollten in den ersten Wochen nach Therapiebeginn unter Umständen die Plasmakonzentrationen kontrolliert Résumé
Le traitement de certaines maladies : les syndromes de douleurs chroniques, le traitement et la prophylaxie Phenytoin (PHT)
de la migraine ou la thérapie des troubles bipolaires,fait intervenir simultanément des antiépileptiques, des Komedikation mit PHT erhöht die Clearance von antidépresseurs et des neuroleptiques. Comme les trois Quetiapin in einer klinischen Studie auf das 5-fache [7] groupes de médicaments sont tous métabolisés par des und vermindert signifikant die Konzentrationen von réactions enzymatiques, en partie même essentielle- Clozapin [8], Mirtazapin [9] und von Imipramin [10]. Die ment, (réactions de phase I par voie du cytochrome 450 Kombination von PHT mit Fluoxetin [11], Fluvoxamin et réactions de conjugaison (phase II), la question d’in- oder auch Trazodon [12] erhöht andererseits ebenfalls Interaktionen zwischen Antiepileptika und Antidepressiva / Neuroleptika | Jürgen Drewe
Epileptologie 2006
die PHT-Spiegel und das Risiko einer PHT-Toxizität [13] Phenobarbital (PB)
oder eines Wirkungsverlusts nach Absetzen der SSRIs[14]. Es ist aber zu beachten, dass die Kombination von PB-Komedikation verminderte die Thioridazinspie- PTH mit TCAs und verschiedenen Neuroleptika die gel bei 10 Patienten [30]. Andererseits verminderte sich Krampfschwelle und die Effektivität der AE senken kann bei dieser Kombination auch der PB-Spiegel [31]. Es gibt verschiedene Fallberichte, dass PB die Konzentrationenund Wirkung von TCAs abschwächt [32]. Es gilt aber zubeachten, dass die Kombination von PB mit TCAs und Carbamazepin (CBZ)
verschiedenen Neuroleptika die Krampfschwelle unddie Effektivität der AE senken kann [15, 16].
Carbamazepin vermindert die Haloperidol-Spiegel bis auf 15% des Ausgangswertes [17] sowie die Wirk-samkeit [18]. Es vermindert den maximalen Plasma- Johanniskraut-Extrakte (JKE)
spiegel von Aripiprazol um 75% (Produktinformation),um bis zu 50% den von Olanzapin [19, 20]. Ebenso wur- JKE sind nach akuter Gabe potente Inhibitoren, nach den durch Komedikation mit CBZ die Plasmaspiegel der chronischer Gabe starke Induktoren verschiedener TCAs signifikant vermindert (Imipramin, Desipramin Cytochrome (siehe Tabelle 2). JKE vermindert die
[21], Nortriptylin [22], Amitriptylin und Doxepin [23]) Konzentrationen und die Wirkung von Alprazolam [33].
sowie auch von Mianserin, Citalopram [23] sowie Mir- Aufgrund der breiten induktiven Wirkung sind auch bei tazapin (ca. 70%) [24] und Trazodon [25]. Wird hingegen CBZ mit den Enzyminhibitoren und selektiven Seroto-nin-Wiederaufnahmehemmern (SSRIs) Fluoxetin oderFluvoxamin gegeben, so erhöhen sich andererseits die Valproat (VP)
CBZ-Spiegel signifikant und dadurch steigt das Risiko ei-nes malignen Serotonin-Syndromes (CBZ erhöht selber In einer kontrollierten Studie konnte gezeigt wer- auch die Serotonin-Spiegel !) [26-28] sowie einer CBZ- den, dass VP die AUC von Amitriptylin und Nortriptylin Toxizität. Diese Kombinationen sollten deshalb vermie- signifikant erhöhte [34]. Es kann auch die Blutspiegel den werden. Die Kombination von CBZ mit MAO-Inhibi- von Lamotrigin in den toxischen Bereich erhöhen [35].
toren ist wegen der Gefahr einer erhöhten Toxizität Diese Kombination ist mit einem erhöhten Risiko für (hypertensive Krise, Hyperpyrexie und Konvulsionen) die Entwicklung eines „Rashes“, eines Stevens-Johnson- kontraindiziert. Ebenfalls ist wegen erhöhter Knochen- Syndroms (SJS) oder einer toxischen epidermalen marks- und Neurotoxizität die Kombination von CBZ Tabelle 1:
Antiepileptika: Abbauwege (CYPs/UGT/NAT2) und Transportproteine (Pgp)
Wirkstoff
Substrat
Inhibitor
Induktor
Carbamazepin (Tegretol®)
Oxcarbazepin (Trileptal®)
2C19, 3A4, UGT
Phenobarbital (Luminal®)
2C19, 3A4, 2C9
Phenytoin (Phenhydan®)
2C9, 2C19
Felbamat (Taloxa®)
Tiagabin (Gabitril®)
Ethosuximid (Petinimid®)
Clonazepam (Rivotril®)
3A4, NAT2
Topiramat (Topamax®)
UGT, renale Ausscheidung
Lamotrigin (Lamictal®)
UGT, renale Ausscheidung
Valproat (Depakine®)
UGT, β-Oxidation, 2A6, 2C9
2C9, 2C19, 3A4
Levetiracetam (Keppra®)
Gabapentin (Neurontin®)
Vigabatrin (Sabril®)
UGT = UDP-Glukuronysyltransferase, NAT2 = N-Azetyltransferase 2, Pgp = P-Glykoprotein Epileptologie 2006
Interaktionen zwischen Antiepileptika und Antidepressiva / Neuroleptika | Jürgen Drewe
Tabelle 2:
Antidepressiva: Abbauwege (CYPs/UGT/NAT2) und Transportproteine (Pgp)
Wirkstoff
Substrat
Inhibitor
Induktor
Fluvoxamin (Floxyfral®)
1A2, 2D6, Pgp
1A2, 2C19, 3A4, 2D6, 2B6, 2C9, Pgp
Fluoxetin (Fluctine®)
3A4, 2C9, 2C19, 2D6
2D6, 1A2, 2B6, 2C9/19, Pgp
Sertralin (Zoloft®)
2B6, 3A4, 2C9/19
2D6, 2C19, 1A2, Pgp
Citalopram (Seropram®)
3A4, 2C19, 2D6
Paroxetin (Deroxat®)
Amitriptylin (Triptizol®)
3A4, 2C19, 2D6, UGT, 1A2, 2C9
Nortriptylin (Nortrilen®)
2D6, 3A4, 2C19
Imipramin (Tofranil®)
1A2, 3A4, 2C19, 2D6, UGT
Trimipramin (Surmontil®) 2D6, 2C9/19
Maprotillin (Ludiomil®)
Moclobemid (Aurorix®)
1A2, 2C19, 2D6
Venlafaxin (Efexor®)
2D6, 2C9/19, 3A4
Mirtazapin (Remeron®)
2D6, 1A2, 3A4
Buspiron (Buspar®)
Trazodon (Trittico®)
Johanniskraut-Extrakt
1A2, 3A4,
2C9/19, Pgp
(chronisch)

Cytochrome, die hauptsächlich am Abbau beteiligt sind, oder die stark induziert / gehemmt werden, sind fett ge-druckt. UGT = UDP-Glukuronysyltransferase, NAT2 = N-Azetyltransferase 2; Pgp = P-Glykoprotein 3. Patsalos PN, Froscher W, Pisani F et al. The importance of drug interactions
in epilepsy therapy. Epilepsia 2002; 43: 365-385
Bei 2 Patienten wurde nach Gabe von Sertralin eine 4. NCBI PubMed. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi. 2006
Lamotrigin-Toxizität beobachtet, die vermutlich durch 5. Arzneimittelkompendium der Schweiz. 2006, Documed.
eine Hemmung der Lamotrigin-Glukuronidierung durch http://www.kompendium.ch
Sertralin verursacht wurde [37]. Diese Kombination ist 6. MICROMEDEX, T., DRUG-REAX® Interactive Drug Interactions. 1974 - 2002,
ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für die Entwick- MICROMEDEX(R) Healthcare Series
lung eines „Rashes“, eines SJS oder einer toxischen epi- 7. Wong YW, Yeh C, Thyrum PT. The effects of concomitant phenytoin
administration on the steady-state pharmacokinetics of quetiapine. J Clin
Psychopharmacol 2001; 21: 89-93
8. Miller DD. Effect of phenytoin on plasma clozapine concentrations in two
Schlussfolgerungen
patients. J Clin Psychiatry 1991; 52: 23-25
9. Spaans E, van den Heuvel MW, Schnabel PG et al. Concomitant use of
Aufgrund der Beteiligung der gleichen Cytochrome mirtazapine and phenytoin: a drug-drug interaction study in healthy ma-
in der Leber ergeben sich theoretisch insbesondere für le subjects. Eur J Clin Pharmacol 2002; 58: 423-429
die Antiepileptika der ersten Generation, den Neurolep- 10. Perucca E, Richens A. Interaction between phenytoin and imipramine.
tika und Antidepressiva theoretisch viele Interaktions- Br J Clin Pharmacol 1977; 4: 485-486
möglichkeiten. Obwohl einige dieser Interaktionen bei 11. Shader RI, Greenblatt DJ, von Moltke LL. Fluoxetin inhibition of phenytoin
genauer Messung der Wirkstoffexposition wahrschein- metabilsm. J Clin Psychopharmacology 1994; 14: 375-376
lich nachweisbar wären, lassen die fehlenden Hinweise 12. Dorn JM. A case of phenytoin toxicity possibly precipitated by trazodone.
in der Literatur aber darauf schliessen, dass die meisten J Clin Psychiatry 1986; 47: 89-90
dieser Interaktionen klinisch nicht signifikant sind.
13. Woods DJ, Coulter DM, Pillans P. Interaction of phenytoin and fluoxetine.
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Interaktionen zwischen Antiepileptika und Antidepressiva / Neuroleptika | Jürgen Drewe
Epileptologie 2006
Tabelle 3:
Neuroleptika: Abbauwege (CYPs/UGT/NAT2) und Transportproteine (Pgp)
Wirkstoff
Substrat
Inhibitor
Induktor
Haloperidol (Haldol®)
3A4, 2D6, UGT
Chlorpromazin (Chlorazin®)
1A2, 2D6, Pgp, UGT
Chlorprothixen (Truxal)
Fluphenazin (Dapotum®)
Levomepromazin (Nozinam®)
Promazin (Prazine®)
1A2, 3A4, 2C19, 2C9
Thioridazin (Melleril®)
1A2, 2D6, 3A4
Zuclopenthixol (Clopixol®)
Amisulprid (Solian®)
Aripiprazol (Abilify®)
Clozapin (Leponex®)
1A2, FMO3, 3A4, 2C9/19, 2D6, UGT
Olanzapin (Zyprexa®)
1A2, 2D6, UGT
Quetiapin (Seroquel®)
3A4, UGT, Pgp
Epoxidhydroxylase
Risperidon (Risperdal®)
2D6, 3A4, Pgp
Ziprasidon (Zeldox®)
Aldehyd-Oxidase, 3A4
Cytochrome, die hauptsächlich am Abbau beteiligt sind, oder die stark induziert / gehemmt werden, sind fett ge-druckt. UGT = UDP-Glukuronysyltransferase, NAT2 = N-Azetyltransferase 2, Pgp = P-Glykoprotein 17. Yasui-Furukori N, Kondo T Mihara K et al. Significant dose effect of carba-
30. Ellenor GL, Musa MN, Beuthin FC. Phenobarbital-thioridazine interaction
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CH 4031 Basel
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Tel. 0041 61 265 3848
Ther 1991; 49: 135
Fax 0041 61 265 8581
29. Rittmannsberger H. Asterixis induced by psychotropic drug treatment.
juergen.drewe@unibas.ch
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Epileptologie 2006
Interaktionen zwischen Antiepileptika und Antidepressiva / Neuroleptika | Jürgen Drewe

Source: http://www.epi.ch/_files/Artikel_Epileptologie/Drewe_1_06.pdf

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