Aromatasehemmer in der modernen brustkrebstherapie
Artikel erschienen bei Leben wie zuvor, Schweizer Verein für Frauen nach Brustkrebs, Bulletin 65, Sonderausgabe Aromatasehemmer in der modernen Brustkrebstherapie
Erstes Behandlungsziel bei Brustkrebs im Frühstadium ist immer die vollständige operative Tumorentfernung. Moderne Operationstechniken und systemische Behandlungen machen heutzutage in zwei von drei Fällen Brust erhaltende Operationen möglich. Auf die Tumorentfernung folgt die adjuvante (= unterstützende, zusätzliche) Therapie nach der Operation. Ziel ist es, einen Rückfall zu verhindern. Im Operationsbereich zurück gebliebene oder bereits in andere Körperregionen verbreitete aber nicht nachweisbare Krebszellen sollen abgetötet oder am Wachstum gehindert werden. Die adjuvante Therapie ist also eine vorbeugende (prophylaktische) Therapie. Adjuvante Therapien sind:
• die Strahlentherapie (lokal), obligatorisch nach Brust erhaltender
• Medikamentöse Therapien: die Chemo- und / oder die Antihormon-
Die Strahlen- und Chemotherapie erstreckt sich in der Regel über Wochen oder höchstens Monate, die adjuvante Antihormon-Therapie hingegen über Jahre. Die allgemein bekannten Beschwerden wie Haarausfall, Übelkeit, Erbrechen und Entzündungen (z.B. im Mund) können bei der Chemotherapie eintreten. Sie sind darauf zurück zuführen, dass die eingesetzten Medikamente (Zytostatika) nicht nur auf die Krebszellen wirken, sondern auch die Teilungsfähigkeit der gesunden Körperzellen beeinträchtigen. Die typischen Beschwerden der Chemotherapie lassen sich oft mit anderen Medikamenten kontrollieren oder abschwächen. Antihormon-Therapie Die Antihormon-Therapie wird oft vereinfachend als Hormontherapie bezeichnet. Diese Bezeichnung ist eigentlich falsch, weil eine Therapie gemeint ist, welche die weiblichen Hormone (Östrogene) unterdrückt. Die Antihormon-Therapie – oder eben Hormontherapie – ist insbesondere nicht zu verwechseln mit der Hormonersatztherapie, bei der es im Gegenteil um die „Erhöhung des Hormonspiegels“ geht. Geschlechtshormone wie das weibliche Östrogen regen die Zellen der Brustdrüsen zum Wachstum an. Voraussetzung ist, dass die Zellen auf der Oberfläche Andockstellen (Rezeptoren) für diese Hormone besitzen, also hormonsensibel sind. Da ein Tumor aus gesundem Gewebe der Brustdrüse hervorgegangen ist, spricht er häufig auf Veränderungen der gleichen Hormone an. Durch die Unterdrückung der Hormonwirkung kann daher Tumorwachstum und Metastasenbildung gestoppt oder
verzögert werden. Neben hormonsensiblem (hormonrezeptor-positivem) Brustkrebs sprechen auch andere Krebsarten wie Gebärmutter- und Prostatakrebs auf eine Antihormon-Therapiean. Bei Frauen nach den Wechseljahren entsteht Östrogen durch die Umwandlung von Androgenen in Östrogen nicht mehr in den Eierstöcken, sondern in anderen Geweben und Organen (z.B. Fettgewebe). Dazu braucht es das Enzym Aromatase. Es gibt zwei Möglichkeiten zur Unterdrückung der Hormonwirkung: 1. Die Hormonproduktion wird von Anfang an durch die Blockierung der Aromatase verhindert > Aromatasehemmer Letrozol, Anastrazol, Exemestan 2. Die Bindung des Hormons an die Krebszellen wird durch die
Blockierung der Rezeptoren verhindert > Anti-Östrogen Tamoxifen (auch Östrogenrezeptorhemmer oder Rezeptorblocker genannt) Antihormon-Therapien kommen sowohl im Frühstadium als auch bei fortgeschrittenem Brustkrebs zum Einsatz. Dank adjuvanter Antihormon- Therapie mit Tamoxifen konnte in den vergangenen Jahren bei Frauen mit hormonsensiblem Brustkrebs im Frühstadium die Rückfallquote gesenkt und die Lebensdauer erhöht werden. Dabei sind die Nebenwirkungen einer Antihormon-Therapie bei weitem nicht so gravierend wie bei einer Chemotherapie. Sie resultieren aus dem Ausschalten der Geschlechtshormone. Etwa 90% der Östrogenproduktion gehen durch die Menopause verloren. Eine Antihormon-Therapie schaltet die Produktion der restlichen 10% aus oder unterdrückt die Wirkung der Östrogene fast vollständig. Wirkmechanismus von Aromatasehemmern und Anti-Östrogenen sind unterschiedlich. Dadurch unterscheiden sich auch die Nebenwirkungsprofile. In beiden Fällen handelt es sich aber vorwiegend um postmenopausale Syndrome, die auf den Östrogenentzug zurückzuführen sind. Vor den Wechseljahren (oder ohne künstlich eingeleitete Menopause) können Aromatasehemmer nicht eingesetzt werden, da dadurch die Eierstöcke von der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) zu stark stimuliert würden, was zu schweren Nebenwirkungen in den Eierstöcken führen könnte. Tamoxifen kann unabhängig vom Menopausenstatus verabreicht werden. Aromatasehemmer auf dem Vormarsch Tamoxifen ist bisher als Standard in der adjuvanten Antihormon- Therapie eingesetzt worden. Obwohl dessen Einführung als immenser Fortschritt zu werten ist, verliert Tamoxifen an Bedeutung. Die
Aromatasehemmer sind auf dem Vormarsch. Sie haben sich zunächst in der Behandlung bei fortgeschrittenem Brustkrebs im Vergleich zu Tamoxifen als gleichwertig oder überlegen erwiesen. Neuerdings werden sie auch bei Brustkrebs im Frühstadium eingesetzt, was zur Verbesserung und Erweiterung der Therapiemöglichkeiten geführt hat.
In der Schweiz können Frauen nach den Wechseljahren mit hormonsensiblem Brustkrebs im Frühstadium seit August 2004 von der erweiterten adjuvanten Therapie mit dem Aromatasehemmer Letrozol profitieren. Damit wurde eine Therapielücke geschlossen. Wegen Resistenzbildungen und der Gefahr von schwerwiegenden Nebenwirkungen ist nämlich eine Verlängerung der Behandlung mit Tamoxifen über fünf Jahre hinaus nicht angezeigt, weil es keine Wirksamkeitsdaten gibt, die einen zusätzlichen Nutzen anzeigen. So waren Frauen bis vor kurzem nach fünf Jahren Tamoxifen „austherapiert“, das medikamentöse Arsenal war ausgeschöpft. Eine beunruhigende Situation, weil über die Hälfte der Rückfälle in den ersten 15 Jahren nach der Operation nach der fünfjährigen Tamoxifen-Therapie eintreten. Die Aromatasehemmer konkurrenzieren Tamoxifen auch zunehmend in der adjuvanten Therapie, wobei Letrozol der einzige Aromatasehemmer ist, der sowohl für die erweiterte adjuvante als auch die adjuvante Therapie zugelassen ist. Therapiephasen bei Brustkrebs im Frühstadium: Nach der Operation bzw. Primärtherapie wird zwischen der adjuvanten und erweiterten adjuvanten Therapie unterschieden.
Weltweit anerkannte Richtlinien Weltweit anerkannte Richtlinien helfen Ärzten bei der Abschätzung des Rückfallrisikos und bei der Wahl der richtigen Therapie bei Brustkrebs.
Das Experten-Panel der American Society of Clinical Oncology hielt im November 2004 fest, dass die optimale postoperative Therapie des hormonsensiblen Brustkrebs im Frühstadium einen Aromatasehemmer zu Beginn der adjuvanten Therapie oder nach fünf Jahren Tamoxifen beinhalten sollte. Ende Januar 2005 passte auch die alle zwei Jahre tagende internationale St. Galler Konsensus-Konferenz ihre Therapieempfehlungen für den Brustkrebs im Frühstadium an. Die Empfehlungen aus St. Gallen dienen als Basis für nationale Richtlinien in vielen Ländern. Im Vergleich zu den USA spielt Tamoxifen in vielen anderen Ländern immer noch eine grössere Rolle. Auf folgende Punkte konnten sich die Experten einigen:
• Die adjuvante Therapie sollte mit Tamoxifen, Letrozol oder
Anastrazol begonnen werden. Wird mit Letrozol oder Aromasin begonnen, ist diese Therapie für 5 Jahre geplant.
• Wird mit einer Tamoxifen-Therapie begonnen, dann ist eine
Umstellung auf einen Aromatasehemmer nach zwei bis drei Jahren empfohlen.
• Nach einer fünfjährigen Tamoxifen-Therapie sollen Patientinnen
mit höherem Risiko auf Letrozol umgestellt werden. Etwa die Hälfte der Experten war der Meinung, dass besser alle Patientinnen mit Letrozol weiterbehandelt werden sollten.
Offenen Fragen Obwohl es im Moment schwierig ist, für neu diagnostizierte Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium einfache, klare Therapieempfehlungen zu machen, zeigen alle Studien, dass die bisherige Standardtherapie (fünf Jahre Tamoxifen) heute für die meisten Patientinnen suboptimal ist. Es gibt jedoch Patientinnen, für die eine Behandlung mit Tamoxifen über 5 Jahre durchaus eine Behandlungsmöglichkeit darstellt. Noch sind allerdings wichtige Fragen zur Antihormon-Therapie beim Brustkrebs unbeantwortet. Wie sieht es mit den Langzeitnebenwirkungen der Aromatasehemmer aus? Wann soll von Tamoxifen auf einen Aromatasehemmer gewechselt werden - oder sollte die Reihenfolge gerade umgekehrt sein? Und welches ist die optimale Behandlungsdauer für die neuen Medikamente? Antworten auf diese Fragen wird nicht zuletzt die noch laufende BIG 1-98 Studie liefern. An der BIG 1-98 Studie nehmen auch über 600 Frauen aus der Schweiz teil. Es ist die grösste jemals durchgeführte Studie mit einem Aromatasehemmer. Zudem ist es die einzige Studie, die sowohl einen direkten Vergleich zwischen einem Aromatasehemmer, nämlich Letrozol und Tamoxifen als auch die aufeinander folgende Behandlung mit beiden Substanzen in der adjuvanten Behandlung untersucht (sequenzielle adjuvante Therapie). Mit einer sequenziellen adjuvanten Therapie mit Tamoxifen und Aromatasehemmern soll die Bildung einer Resistenz des Tumors gegen Tamoxifen verhindert werden. Um zu einer vernünftigen Entscheidung zur adjuvanten Antihormontherapie zu kommen, sollten Sie sich von einem entsprechenden Facharzt mit Erfahrung in diesen Fragen informieren lassen. Dieser Brustkrebsspezialist kann Sie auch über die neuesten Ergebnisse der zahlreichen Aromatasehemmerstudien informieren, an denen weltweit über 35'000 Frauen teilgenommen haben.
Aromatasehemmer: Letrozol (Femara®) Anastrazol
Autor: Prof. Dr. Beat Thürlimann, Leitender Arzt, Senologie Zentrum Ostschweiz, Kantonsspital St. Gallen; Leiter der internationalen BIG 1-98 Studie
April 2008 Übersichtsarbeit ADHS (Aufmerksamkeits-defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom): Gibt es natürliche medikamentöse Alternativen oder Ergänzungen zu Ritalin & Co.? In jedem Klassenzimmer sitzt oder "hampelt" im Durchschnitt ein "Zappelphilipp" herum: Er bringt Lehrer und Eltern zur Verzweiflung, kann nicht still sitzen, sich nicht konzentrieren und eckt auch bei K
Infektionen durch MRSA – Methicillin-resistente Staphylokokken Hintergrund, Probennahme, Hygienemaßnahmen, Therapie Hintergrund Bakterien der Art Staphylococcus aureus können bei Mensch und Tier als Bestandteil der Hautfloravorkommen. Beim Menschen sind meist die vordere Nase und die Leistenregion besiedelt. Staphylokokken sind im Vergleich zu anderen Bakterienarten unempfindlich