Evidenzbasierte Empfehlungen zur Behandlung
Der Konsens der AGO-Organkommission ¹Mammaª
Evidence-Based Recommendations on Treating Locoregional and Distant
Für die Anwendung von Tumormarkern zur Prognose und Prä-diktion von Therapieeffekten wurde die Einteilung von Hayes
Die Organkommission ¹Mammaª der Arbeitsgemeinschaft Gynä-
kologische Onkologie (AGO) hat sich die Erarbeitung von Emp-fehlungen zur Therapie von Mammakarzinomen zur Aufgabe ge-
macht. Zielsetzung war die Definition des aktuellen evidenzba-
Die Themensammlung und Auswahl der Referenten erfolgte
sierten Wissensstandes zu lokal rezidivierten und metastasier-
durch die Mitglieder der AGO-Organkommission ¹Mammaª
ten Mammakarzinom Erkrankungen. Zu aktuellen Aspekten
(s. Appendix). Jeder Referent formulierte zu dem ihm zugeteilten
wurden Kernaussagen formuliert und nach zweierlei Gesichts-
Thema die 5 wesentlichen und aktuellen Fragen. Antworten zu
jeder Frage wurden auf je einem Dia zusammengestellt und vor-
± Festlegung des Evidenzniveaus (Level of Evidence, LOE) nach
ab allen Mitgliedern der Organkommission zugänglich gemacht.
Sichtung der aktuellen Literatur und Bewertung der verfügba-
Anlässlich eines Arbeitstreffens in Assmannshausen am 11. und
12. Januar 2002 wurden die Dias von dem jeweiligen Referenten
± Festlegung des Empfehlungsgrades entsprechend der Konsis-
kurz präsentiert, anschlieûend inhaltlich diskutiert und das Evi-
tenz der Ergebnisse verschiedener Untersuchungen und des
denzniveau und der Empfehlungsgrad bestimmt. Die erforderli-
chen Korrekturen der Dias wurden vom Sprecher der Organgrup-pe durchgeführt und bis zur abschlieûenden Zustimmung und
Die Definition des Evidenzniveaus basiert auf den aktuellen
Freigabe durch alle Mitglieder der Organgruppe und beteiligter
Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology (ASCO)
Experten (Anhang 1) diskutiert. Der fertiggestellte Diasatz (ab-
[1], die Empfehlungsgrade auf den modifizierten Empfehlungen
zurufen unter www.ago-online.de) stellt die Grundlage für das
der Canadian Task Force on Preventive Health Care [2] (Tab.1).
6 Universitäts-Frauenklinik Homburg/Saar
7 Mammazentrum Hamburg, Brustklinik im Diakonissen- und Krankenhaus Jerusalem
11 Universitäts-Frauenklinik rechts der Isar München
17 Universitäts-Frauenklinik Groû Hadern München
Priv.-Doz. Dr. med. G. von Minckwitz ´ Sprecher der Organkommission ¹Mammaª ´ Universitätsklinikum
Frankfurt ´ Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ´ Theodor-Stern-Kai 7 ´ 60590 Frankfurt ´
Tel.: 0 69/63017024 ´ Fax: 0 69/63 017938 ´ E-mail: minckwitz@em.uni-frankfurt.de
Zentralbl Gynakol 2002; 124: 284±292 J. A. Barth Verlag in Georg Thieme Verlag KG ´ ISSN 0044-4197
Tab. 1 Evidenzniveaus (Level of Evidence, LOE) und Empfehlungs-
Tab. 3 Indikationsstellung für Therapien lokoregionär metastasier-
grade zur Bewertung von Therapieempfehlungen
Metaanalyse von multiplen, gut geplanten, kontrollierten Studien.
Eine randomisierte Studie mit niedrigem falsch positiven und
niedrigem falsch negativen Fehler (hohe Power)
mindestens eine gut geplante, kontrollierte experimentelle Studie
oder randomisierte Studien mit hohem falsch positiven und/oder
hohem falsch negativen Fehler (niedrige Power)
gut geplante, nicht randomisierte, kontrollierte Einzelgruppen,
Prä-post-Kohorten, Zeit- oder Fall-Kontroll-Studien
gut geplante, vergleichende oder korrelierende, deskriptive oder
Tab. 4 Prognosefaktoren beim Auftreten eines Lokalrezidivs
Hohe Evidenz die Empfehlung zu unterstützen, dass eine
Intervention/Behandlung in einer spezifischen Situation regelmäûig
Mäûiggradige Evidenz die Empfehlung zu unterstützen, dass eine
Intervention/Behandlung in einer spezifische Situation regelmäûig
Anzahl der primär befallenen Lymphknoten
Unzureichende Evidenz, eine Intervention/Behandlung für eine
Länge des krankheitsfreien Intervalls bis zum Rezidiv
spezifischen Situation zu empfehlen oder von ihr abzuraten.
Hormonrezeptorstatus (Primärtumor oder Rezidiv)
Mäûiggradige Evidenz die Empfehlung zu unterstützen, dass eine
Intervention/Behandlung in einer spezifischen Situation unterlassen
Hohe Evidenz die Empfehlung zu unterstützen, dass eine
Intervention/Behandlung in einer spezifischen Situation
den regionären Lymphknoten der Axilla, der supra- und infrakla-
vikulär Region und entlang der Mammaria-interna-Gefäûe. EineZusammenfassung der wichtigsten Therapieempfehlungen gibtTab. 3.
Tab. 2 Evidenzniveaus (Level of Evidence, LOE) und Bewertung der
In-Brust-Rezidive treten mit einer Häufigkeit von 8 (2±20%)
Einsatzmöglichkeit (¹Utility scoreª, US) zur Bewertung von
prognostischen und prädiktiven Tumormarkern [3]
nach brusterhaltender Operation und Restbrustbestrahlung auf
[5]. Das mediane 5-Jahres-Überleben beträgt 65 (45±79 %). Rezi-
prospektive Studie, Marker sekundäres Studienziel
dive der Thoraxwand nach Mastektomie treten in 4 (2±20%) und
Rezidive in der Axilla in 1 (0,1±8%) auf und weisen ein 5-Jahres-
kleine retrospektive Studie, ¹matched pairª-Analyse etc.
Überleben von 50 (24±78%) bzw. 55 (31±77%) auf. Multiple
kleine Pilotstudien, Korrelation mit anderen bekannten Markern
lokoregionäre Rezidive werden in 16 (8±19%) beobachtet und
sind mit einem 5-Jahres-Überleben von 21 (18±23 %) verbunden
Daten lassen einen Nutzen vermuten ± routinemäûiger Einsatz
Faktoren, die den Verlauf nach einem lokoregionären Rezidiv be-
Daten zeigen eine Nutzen ± aber: hohe Korrelation mit bekannten
stimmen sind in Tab. 4 dargestellt [7].
Markern, keine klinische Konsequenz oder niedriges Evidenzniveau ±
routinemäûiger Einsatz des Markers nicht empfohlen
Vor der Therapieplanung sollte zur Untersuchung der Tumoraus-
Marker hat in ausgewählten Situationen einen klinischen Nutzen
breitung ein komplettes Re-Staging inklusive CT-Thorax/Hals
Marker kann als alleiniges Kriterium für eine klinische Entscheidung
durchgeführt werden (LOE: V, GR: +++) [8].
Die Therapie von In-Brust-Rezidiven besteht primär in einer ope-
rativen Intervention. Die Mastektomie erzielt hierbei die höchste
Im Unterschied zu früheren Expertentreffen [4] fand ein Kon-
Tumorkontrolle (LOE: III, GR: B) [9]. Eine erneute Exzision im Ge-
senzfindungsprozess nach formellen Regeln statt.
sunden bei Erhaltung der Brust weist mit oder ohne Bestrahlung
eine schlechtere lokale Tumorkontrolle auf. Dies wirkt sich je-
doch nicht als Nachteil auf das Gesamtüberleben aus. Die Indika-
tion zur Re-Exzision sollte individuell gestellt werden, z. B. nach
einem langen rezidivfreien Intervall, keinem Hautbefall und
Lokoregionäre Rezidive werden definiert als das Wiederauftre-
einem groûen Abstand zur primären Tumorlokalisation (LOE: IV,
ten von Mammakarzinomen in der ipsilateralen Brust, an der ip-
GR: B) [10]. Die Re-Exzision kann eine Lappenplastik notwendig
silateralen Thoraxwand inklusive der darüber liegenden Haut,
Die postoperative, medikamentöse Therapie kann bei rezeptor-positiven Tumoren in einer endokrinen Therapie bestehen, es
Tab. 5 Indikationsstellung für systemische Therapien metastasier-
existieren Hinweise dafür, dass das rezidivfreie Überleben, aber
nicht das gesamte Überleben verbessert werden kann (LOE: IV,GR: B) [11]. Eine postoperative Chemotherapie kann in Einzelfäl-
len erwogen werden (LOE: III, GR: C) [6].
Die operative Therapie eines Thoraxwand- oder Axillarezidivs
nach Mastektomie besteht in einer groûzügigen Exzision (LOE: II,
GR: A). Ziel ist die vollständige Entfernung des Rezidivgewebes
Aromatasehemmer empfindlicher, metastasierter Erkrankung
(R0-Resektion), dies kann im Einzelfall auch die Resektion von
Anteilen der Thoraxwand notwendig machen [12]. Postoperativ
sollte eine Bestrahlung der Thoraxwand und der supraklavikulä-
ren Lymphknoten erfolgen (LOE: II, GR: A) [13]. Bei einem Axilla-
rezidiv ist aufgrund einer hohen Morbidität auf eine Bestrahlung
Bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren sollte postoperativ eine
endokrine Therapie begonnen werden. Diese besteht in der Post-menopause in Abhängigkeit von der adjuvanten Therapie in derGabe von Tamoxifen oder Aromataseinhibitoren (LOE: II, GR: A)[14] und in der Prämenopause in der Gabe von GnRH-Analoga
Tab. 6 Indikationsstellung für systemische Therapien metastasier-
mit oder ohne Tamoxifen (LOE: IV, GR: B) [15]. Auch durch eine
Chemotherapie ist eine Verbesserung der lokalen Tumorkontrol-
le und des Gesamtüberlebens möglich (LOE: II, GR: B) [16]. Sie ist
in Abhängigkeit von der Primärbehandlung zu wählen.
Weitere Maûnahmen, insbesondere bei operativ nicht sanierba-
ren Befunden, bestehen in der topischen Applikation von Milte-
fosin (LOE: II, GR: B) [17] oder mit ungesicherter Effektivität in
einer Hyperthermie alleine oder in Kombination mit einer Radia-
tio oder Chemotherapie (LOE: III, GR: C) [18] bzw. einer intraarte-
riellen Chemotherapie (LOE: III, GR: C) [19].
Aromatasehemmer Einsatz von GnRH (Ovarektomie) +
Metastasierte Mammakarzinome sind nach heutigem Kenntnis-
stand im Allgemeinem nicht heilbar. Deshalb sollte die Therapie-
führung individualisiert und krankheitsadaptiert nach dem
Monochemotherapie bei langsamem, nicht lebensbedrohlichem I
Grundsatz ¹So wenig wie nötigª erfolgen. Eine Übersicht der
zykline, Anthrazene, -resistenter, metastasierter Erkrankung
wichtigsten Therapieempfehlungen geben Tab. 5 und 6.
Ziele der palliativen Therapie bestehen in der Linderung tumor-
(Anthazyklin + Taxan, (ausgeprägte Symptomatik, drohender
Anthrazklin + Cyclo- Organausfall) einer metastasierten
bedingter Beschwerden, im langfristigen Erhalt der körperlichen
Leistungsfähigkeit als auch einer hohen Lebensqualität sowie in
Die Therapiewahl erfolgt unter Einbezug folgender Faktoren. Der
Stellenwert der Faktoren kann in der individuellen klinischen Si-
tuation unterschiedlich sein, so dass eine Aufzählung nach Prio-
Nur wenige prädiktive Faktoren zur Vorhersage des Effekts pal-
liativer Therapien sind bisher bestätigt (Tab. 7).
Hormone stellen die Therapie der ersten Wahl beim positiven
oder unbekannten Hormonrezeptorstatus dar (LOE: I, GR: A)
± vorausgegangene Therapien (adjuvant/palliativ).
[20]. Eine Ausnahme bilden Patienten mit hohem Remissions-
publizierten Protokollen erfolgen. Ein repräsentativer Parameter
Tab. 7 Prädiktive Faktoren für den Effekt palliativer Therapien
(Leitmetastase, Tumormarker, Symptome) sollte vor Therapiebe-ginn und anschlieûend ca. alle 2 Monate zur Evaluation des The-
rapieeffektes erneut untersucht werden.
Die zytostatische Therapie sollte durchgeführt werden, solange
der therapeutische Index günstig ist. Eine intermittierende The-
rapie (LOE: III, GR: B) ist einer Erhaltungstherapie (LOE: III,
GR: D) vorzuziehen. Die Therapie sollte bei Anhalt für ein Fort-
vorausgegangenes Ansprechen weitere systemische
schreiten der Erkrankung sowie bei ausgeprägter, intolerabler
Toxizität auf keinen Fall fortgesetzt werden (LOE: III, GR: E).
Die Substanzwahl ist in der Palliation abhängig von dem Allge-meinzustand und dem Alter der Patientin, der Aggressivität der
druck (ausgeprägte Symptomatik, drohender Organausfall). Der
Erkrankung und Lokalisation der Metastasierung sowie der Art
HER2-Status hat keinen Einfluss auf die Indikationsstellung zur
der adjuvanten bzw. palliativen Vorbehandlung.
In der Postmenopause stellen die Aromatasehemmer der dritten
± Taxane (T) (Docetaxel, Paclitaxel) (LOE: I, GR: B) [26]
Generation den ersten Behandlungsschritt dar (LOE: I, GR: A) [14,
± Anthrazykline bzw. Anthrazenderivate (A) (Doxorubicin, Epi-
21]. In randomisierten Studien konnte die Überlegenheit gegen-
rubicin, Mitoxantron) (LOE: I, GR: B) [27, 28] und
über Tamoxifen gezeigt werden. In der Prämenopause stehen fol-
± Vinorelbin (LOE: III, GR: B) [29].
gende Optionen zur Verfügung: GnRH-Agonisten + Tamoxifen(LOE: II, GR: A) [15], Ovarektomie + Tamoxifen (LOE: V, GR: A) so-
Als Polychemotherapieregime können zum Einsatz kommen
wie GnRH-Agonisten/Ovarektomie + Aromatasehemmer (LOE:
IV, GR: C) [22]. Die Ovarektomie und eine medikamentöse Thera-
pie mit GnRH-Agonisten sind als gleichwertig anzusehen
± die Kombination von A, Cyclophosphamid +/± 5-Fluorouracil
± CMF (bei reduzierter Therapierbarkeit).
Nach Versagen einer ersten endokrinen Palliativtherapie mitAromatasehemmern können in der Postmenopause Tamoxifen
Nach Versagen von Anthrazyklin und Taxan können folgende
(LOE: V, GR: B) als auch Gestagene (LOE: V, GR: B) eingesetzt
Substanzen eingesetzt werden (alphabetisch und nicht nach Ef-
werden. In der Prämenopause kann die Gabe von GnRH-Agonis-
ten/Ovarektomie in Kombination mit einem Aromatasehemmer
± experimentelle Therapiestudien (LOE: I)
Eine kombinierte Chemo-/Hormontherapie erhöht sowohl die
Remissionsrate aber auch die Toxizität. Sie führt jedoch nicht zu
einer Verlängerung des progressionsfreien oder Gesamtüberle-
Eine Hochdosistherapie sollte derzeit nur im Rahmen von Studi-
Eine Monotherapie weist im Allgemeinen einen günstigen thera-
en durchgeführt werden (LOE: I, GR: D) [30]. Die verfügbaren Da-
peutischen Index auf. Dieser ergibt sich aus der Wirkung (+), To-
ten beziehen sich vor allem auf Chemotherapie-sensible Tumo-
xizität (±) und Lebensqualität (±) unter einer solchen Therapie.
ren. Hierbei profitieren Patienten mit einer partiellen Remission
Die Monotherapie ist indiziert bei einer langsamen, nicht lebens-
nicht, der Effekt der Hochdosistherapie bei Patienten in komplet-
bedrohlichen Progression und Ineffektivität einer endokrinen
Therapie (LOE: I, GR: B) [25]. Die Polychemotherapie weist einen
ungünstigeren therapeutischen Index auf [Wirkung (++), Toxizi-
tät (±±), Lebensqualität (±±)]. Sie ist indiziert bei einem hohen
Einzig bisher zugelassene Immuntherapie beim metastasierten
Remissionsdruck (ausgeprägte Symptomatik, drohender Organ-
Mammakarzinom ist Trastuzumab (Herceptin). Weitere Im-
ausfall). Die höhere Remissionsrate setzt sich aber nur in einen
muntherapien, passiv mit Antikörpern gegen EGF-R, nicht spe-
geringen Überlebensvorteil um (ca. 5% nach 2 Jahren) (LOE: I,
zifischen Antikörpern gegen HER2 oder aktiv mit autologem Tu-
mormaterial (ASI) sowie mit synthetischen Tumormuzinen
(Theratope) befinden sich im Stadium der klinischen Entwick-
Vor Durchführung einer Chemotherapie ist die Compliance der
Patientin abzuschätzen (vor allem bei älteren Patienten, bei Pa-
tientinnen mit reduziertem Allgemeinzustand oder Patientinnen
Der Nachweis einer HER2-Überexpression ist Voraussetzung für
mit relevanten Komorbiditäten). Während der Therapie müssen
eine Therapie mit Trastuzumab (LOE: I, klinischer Nutzen: +++)
eine regelmäûige subjektive als auch objektive Toxizitätsbeurtei-
[31]. Die Bestimmung sollte routinemäûig mittels einer validier-
lungen erfolgen. Die Dosierung der Chemotherapie sollte gemäû
ten immunhistochemischen Methode erfolgen. Bei der Befun-
dung sollte ein Score erhoben werden. Bei zweifach positivem
immunhistochemischen Befund ist eine Fluoreszenz-in-situ-Hy-
bridisierung (FISH) durchzuführen. Dies wird ebenfalls im Rah-
Hirnmetastasen weisen eine schlechte Prognose auf (LOE: III,
men von Studien empfohlen. Andere Bestimmungsmethoden
klinischer Nutzen: +++) [38]. Derzeit überleben 12% der Erkrank-
(HER2 im Serum, PCR, Elisa etc.) sind als experimentell anzuse-
ten das erste Jahr nach Diagnosestellung, 4±8 % das 2. Jahr und
ungefähr 2% das 5. Jahr. Günstige Prognosefaktoren bei manifes-ten Hirnmetastasen sind eine singuläre Raumforderung, keine
Die Anwendung von Trastuzumab wird bei HER2-positiver Er-
extrakraniellen Filiae, langes Intervall seit Primärdiagnose und
krankung empfohlen als First-line-Therapie in Kombination
ein positiver Hormonrezeptorstatus (LOE: III, klinischer Nut-
mit Paclitaxel (LOE: I, GR: A) [32] oder als Monotherapie nach
zen: ++) [39, 40]. Die Behandlung von ZNS-Metastasen umfasst
Vorbehandlung mit einem Taxan und einem Antrazyklin
Steroide (LOE: II, GR: A), bei Krämpfen den Einsatz von Phenytoin
(LOE: III, GR: B) [33]. Ein möglichst früher Einsatz von Trastuzu-
(LOE: II, GR: A), die bioptische Sicherung (in ca. 15% handelt es
mab ist vorteilhaft (LOE: II, GR: A) [32]. Die Behandlung mit
sich nicht um Mammakarzinommetastasen) (LOE: IV, GR: B).
Trastuzumab sollte bis zum erneuten Fortschreiten der Erkran-
Lokalisierte (einzelne/wenige) Metastasen sollten operativ ent-
kung durchgeführt werden (LOE: I, GR: A) [32]. Die Fortsetzung
fernt werden (LOE: III, GR: C) [41]. Dissiminierte Metastasen soll-
der Behandlung nach einem Progress ist individuell zu ent-
ten nicht operiert werden (LOE: III, GR: E) [42]. Die Bestrahlung
scheiden (LOE: V, GR: C). Hinweise einer Wirksamkeit von Tras-
nach einer Operation oder als primäre Behandlungsmaûnahme
tuzumab gibt es für die Kombination mit Doxorubicin (Cave:
kann stereotaktisch (LOE: IV, GR: B) erfolgen oder das gesamte
Kardiotoxizität, deshalb nur in Studien), Epirubicin (mögliche
Gehirn einbeziehen (LOE: II, GR: A) [40]. Der Einsatz einer Che-
Kardiotoxizität, Durchführung nur in Studien), Paclitaxel (zuge-
motherapie kann im Individualfall erwogen werden (LOE: III,
lassen), Docetaxel, Cis- oder Carboplatin und Vinorelbine. Zwei
Nebenwirkungen von Trastuzumab erfordern besondere Auf-merksamkeit: die Entwicklung einer Herzinsuffizienz und das
Auftreten einer anaphylaktischen Reaktion. Risikofaktoren hier-
Bei 46% aller metastasierten Mammakarzinome kommt es im
für sind eine kardiale Vorbelastung, ein Alter > 60 Jahre, eine
Verlauf der Erkrankung zu einem Pleuraerguss. Andererseits
Anthrazyklinvorbehandlung, eine sehr hohe Tumorlast und
sind ca. 30% aller Pleuraergüsse durch ein Mammakarzinom be-
eine tumorbedingte Dyspnoe. Eine engmaschige klinische und
dingt. Der Pleuraerguss ist als Zeichen der Generalisierung der
ultrasonographische Kontrolle der Herzfunktion ist deshalb zu
Erkrankung anzusehen. Wenn es sich um die erste und alleinige
Fernmetastase handelt, ist die Prognose besser als bei viszeralenMetastasen. Diagnostiziert wird der Pleuraerguss aufgrund der
Symptomatik (Husten, Dyspnoe, Schmerzen) und bildgebenden
Die Wirkweise der Bisphosphonate ist bislang nicht vollständig
Untersuchungen (Röntgenthorax, Ultraschall, CT). Mittels Zyto-
geklärt [35]. Es kommt zur Anlagerung und Speicherung anmi-
logie lassen sich in bis zu 81% maligne Zellen im Erguss nachwei-
neralisierter Knochenmatrix. Diskutiert wird die Apoptoseinduk-
sen. Die Nachweisrate ist bei thorakoskopischer Biopsie noch hö-
tion von Osteoklasten, die Apoptoseinduktion von Tumorzellen,
eine Veränderungen der Adhäsionseigenschaften und eine In-duktion der Antiangiogenese. Folgende Indikationen bestehen
Die lokale Therapie besteht in der Thorakoskopie und einer Tal-
kum-Pleurodese (LOE: III, GR: A) [44]. Sie zeigt die höchste Effekti-
vität im Vergleich zu Antibiotika oder Zytostatika. Während der
± metastasenbedingter Knochenschmerz bei osteolytischen
Thorakoskopie können Verklebungen gelöst und eine bessere Ver-
und osteoplastischen Metastasen (LOE: I, GR: A),
teilung des Talkums erzielt werden. Die Indikationsstellung ist in
± osteolytische Metastasen (LOE: I, GR: A),
Abhängigkeit von der Symptomatik, der Ergussmenge und dem zu
± manifeste durch die Tumortherapie induzierte Osteoporose
erwartenden Ansprechen der systemischen Therapie zu stellen.
± asymptomatische osteoplastische Metastasen (LOE: IV;
Bei Aszites, der zu ausgeprägten Symptomen führt, ist eine Ent-
± Prävention von Knochenmetastasen bei Auftreten anderer
lastungspunktion notwendig (LOE: V, GR: A). Die lokale Applika-
distanter Lokalisationen (LOE: II, GR: C)
tion von Zytostatika (LOE: V, GR: C) hat keinen Vorteil gegenüber
einer systemischen medikamentösen Therapie gezeigt.
Viszerale Metastasen sollten nur im Einzelfall operativ angegan-
Beim Auftreten eines Perikardergusses handelt es sich um eine
gen werden [36]. Sowohl für eine Leberteilresektion (LOE: III,
Notfallsituation. Eine Drainage mit Fensterung ist dringend not-
GR: C) als auch eine Lungenteilresektion (LOE: III, GR: C) muss
wendig (LOE: V, GR: B). Über die Möglichkeit einer ultraschall-
bei der Operationsplanung eine R0-Resektion erreichbar erschei-
gesteuerten Punktion und gleichzeitiger Instillation von Mito-
nen. Die laserinduzierte Thermotherapie (LITT) ist als experi-
mycin C wurde berichtet (LOE: V, GR: C) [45].
mentell anzusehen (LOE: V, GR: C) [37].
Aufgrund von Metastasen frakturgefährdeter Knochen sollte
mittels Osteosynthesen stabilisiert werden (LOE: V, GR: A).
G-CSF kann in der palliativen Behandlung von Mammakarzi-
nompatientinnen zur Prävention einer erneuten febrilen Neutro-
penie unter Chemotherapie (LOE: IV, GR: B) eingesetzt werdenbzw. zur Behandlung einer akuten febrilen Neutropenie (LOE: IV;
Tab. 8 Nachsorgeplan bei Frauen mit primärem Mammakarzinom
GR: C) eine prophylaktische Gabe ab dem ersten Zyklus kann im
Individualfall erwogen werden (LOE: IV, GR: C) [46].
Die Verminderung zytotoxischer Nebenwirkungen einer Chemo-
therapie oder Radiotherapie kann im Einzelfall mit Amifostin er-
nur bei klinischem Verdacht auf Rezidiv oder
Erythropoeitin kommt bei soliden Tumoren zur Behandlung
(LOE: I, GR: B) als auch zur Prävention (LOE: I, GR: B) einer tu-
mor- oder therapieinduzierten Anämie zum Einsatz. Eine Verlän-
gerung des Überlebens hat sich aus dieser Behandlung bishernicht ergeben (LOE: IV, GR: C) [48].
rung von klinischen Studien sollte im Rahmen der Nachsorge un-
Bei der komplementären Therapie sollte es sich um eine Ergän-
terstützt werden, da ihre Teilnahme mit einer Prognoseverbesse-
zung der konventionellen Medizin und einer Erweiterung des ge-
rung einhergeht (LOE: III, GR: A) [54].
danklichen Rahmens der klassischen Medizin handeln. Fürdiätetische Maûnahmen in der palliativen Betreuung von Patien-
Optimal erscheinen jährliche Untersuchungsintervalle (LOE:
tinnen mit Mammakarzinomen werden eine fettarme Diät
IV, GR: B). Der Effekt kürzerer Visiten ist unklar (LOE: V,
(LOE: V, GR: C), die vermehrte Aufnahme von Obst und Gemüse
GR: C) Längere Intervalle (LOE: I, GR: E) führen zu schlechte-
(LOE: V, GR: C) sowie von Vollkorn (LOE: V, GR: C) diskutiert.
ren Ergebnissen. Die Nachsorge sollte an das Risiko adaptierterfolgen, so wird z.B. eine intensivere lokoregionäre Kontrolle
Die meisten komplementären, vor allem medikamentösen An-
bei Frauen unter 35 Jahren sowie bei befallenen Resektions-
sätze sind in ihrer Wirksamkeit ungenügend belegt. Dies gilt für
rändern oder ausgeprägter EIC erwogen (LOE: V, GR: B). Im
orthomolekulare Substanzen (Selen, Zink etc.) (LOE: V, GR: C),
weiteren, längeren Verlauf geht die Nachsorge immer mehr
hochdosierte Vitamine (LOE: V, GR: E), proteolytische Enzyme
in eine Vorsorge analog zur allgemeinen Bevölkerung über
(Papain, Thrypsin, Chymotrypsin) (LOE: IV, GR: C), die Mistelthe-
(LOE: III, GR: B). Eine Empfehlung zum Ablauf der Nachsorge
rapie (LOE: III, GR: C) [49], Thymuspräparate und Milzpeptide
(LOE: IV, GR: C) als auch für die Sauerstoff- und Ozontherapie
(LOE: V, GR: E). Sowohl bei der Anwendung hochdosierter Vita-
mine als auch der Sauerstoff- und Ozontherapie sind aufgrund
± eine subtile Anamnese mit Aufdecken von Beschwerden
von Überdosierung toxische Nebenwirkungen zu befürchten,
deshalb werden diese Therapien abgelehnt. In einer groûen Ko-
± eine klinische Untersuchung (LOE: IV, GR: A),
hortenstudie konnte für Gymnastik und Sport kein günstiger Ef-
fekt auf die Entstehung von Mammakarzinomen gefunden wer-
± eine Mammasonographie (LOE: IV, GR: B),
den (LOE: III, GR: C). Der Effekt nach Primärerkrankung ist unge-
± bei auffälligen Befunden eine Mamma-MRT (LOE: III, GR: B),
± eine Anleitung zur Selbstuntersuchung (LOE: IV, GR: B)
Nicht empfohlen werden routinemäûige Laboruntersuchungen
Unterstützung und Beratung im Rahmen der Nachsorge [50±53]
inklusive Tumormaker (LOE: I, GR: E), bei Asymptomatik die
können durch die Überprüfung der Primärtherapie (LOE: V,
Durchführung eines Röntgenthorax, einer Knochenszintigraphie
GR: A), der Behandlung von Therapienebenwirkungen (LOE: IV,
und einer Oberbauchsonographie (LOE: I, GR: E). Unter einer Ta-
GR: B) sowie der allgemeinen Beratung (Genetik, Hormonersatz-
moxifenbehandlung führt bei asymptomatischen Patienten die
therapie etc.) (LOE: IV, GR: B) positive Effekte haben. Durch die
Endometriumsonographie zu einer Vielzahl von unnötigen diag-
Entdeckung potenziell kurativer Erkrankungssituationen können
nostischen und operativen Eingriffen (LOE: V, GR: E). Nur beim
eindeutige Vorteile für die Patientin resultieren. Dies gilt vor al-
Auftreten einer postmenopausen Blutung wird eine invasive Di-
lem für die Entdeckung eines In-Brust-Rezidives (LOE: IV, GR: A),
agnostik mittels fraktionierte Küretage empfohlen (LOE: I,
eines lokoregionären Rezidivs nach Mastektomie (LOE: IV,
GR: C), der Entdeckung einer kontralateralen Mammakarzinom-
erkrankung (LOE: I, GR: B) sowie von Zweitkarzinomen mit er-
Eine psychosoziale Unterstützung im Rahmen der Nachsorge ist
höhtem Erkrankungsrisiko (Kolonkarzinom, Endometriumkarzi-
zu empfehlen. Sie führt zu einer Verbesserung der psychischen
nom) (LOE: III, GR: B). Die Einleitung einer frühen palliativen
Situation und kann z.B. durch Selbsthilfegruppen (LOE: IV,
Therapie hat jedoch nicht zu einer Senkung der Mortalität oder
GR: B) als auch durch Spezialisierte ¹breast care nurseª (LOE: I,
einer Verlängerung der Überlebenszeit geführt (LOE: III, GR: D).
GR: A) erfolgen. Eine Verbesserung der Heilungschance wurde
Wird die Nachsorge in Kooperation mit der primärbehandelten
sowohl für eine unterstützende Intervention durch Spezialisten
Klinik durchgeführt, stellt sie die einzige Möglichkeit einer onko-
(LOE: I, GR: A) als auch durch Vertrauenspersonen (LOE: III,
logischen Qualitätssicherung dar (LOE: IV, GR: A). Die Durchfüh-
Vorzuziehen sind multizentrische, randomisierte Phase-III-Stu-
dien mit adäquatem Endpunkt, hierbei ist die Remissionsrate
als primäres Zielkriterium nicht aussagekräftig genug. Weiterhin
zu empfehlen sind zulassungsrelevante Studien, Studien mit
dem Ziel der Lebensqualitätsverbesserung. Ein Auswahlkrite-
rium kann das Gütesiegel der DKG oder AGO darstellen.
H. Junkermann, Bremen1M. Kaufmann, Frankfurt3
Abzulehnen sind Studien mit ungenügender Patientenzahl und
statistischer Stärke, nicht randomisierte Studien mit Substanz-
kombinationen, für die keine weitere Entwicklung, z.B. für die
adjuvante Therapie, absehbar sind und Studien mit ungenügen-
dem Qualitätsniveau (z.B. insuffiziente Fragestellung, fehlender
Datenverifizierung durch externes Monitoring, fehlender statis-
G. Schaller, Bochum1,2R. Schmutzler, Bonn1,2
Viel versprechende Therapieansätze betreffen derzeit die Ent-
wicklung von Antiangiogenesefaktoren, Thyrosinkinase-Inhibi-
toren, Anti-EGF-R, nicht steroidalen Antirheumatika, dentriti-
C. Thomssen, Hamburg (stellv. Sprecher)1,2M. Untch, München1,2G. von Minckwitz, Frankfurt (Sprecher und Gesamtmanuskript)1
1 Mitglieder der Organkommission ¹Mammaª
Die Bewertung der Aussagen nach dem ¹Level of Evidenceª und
dem ¹Grade of Recommendationª erfolgte nach dem Kenntnis-
stand der Mitglieder der Organkommission ¹Mammaª im Januar2002. Nur wenn auf entsprechende Literatur verwiesen werdenkonnte, liegen diesen Bewertungen systematische Reviews zu-grunde.
1 Desch CE, Benson AB 3rd, Smith TJ, Flynn PJ, Krause C, Loprinzi CL,
Dennoch sind heute für viele relevante klinische Fragestellungen
Minsky BD, Petrelli NJ, Pfister DG, Somerfield MR. Recommended
keine Daten mit ausreichender Qualität vorhanden. Hier besteht
colorectal cancer surveillance guidelines by the American Society of
dringender Bedarf an qualitativ hochwertigen klinischen Stu-
Clinical Oncology. J Clin Oncol 1999; 17: 1312±1321
Temple LKF, Wang EEL, McLeod RS with the Canadian Task Force on
Preventive Health Care. Preventive Health Care, 1999 update: 3. Fol-
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