Pflegewissenschaft sollte zur Lösung und nicht zur Verschärfung der Pflegeproblematik beitragen Adelheid von Stösser Pflegewissenschaft ist hierzulande, im Vergleich zu einigen anderen europäischen Ländern und den USA, noch eine recht junge Disziplin. Dem langjährigen Bemühen von Pflegeverbänden und Einzelpersonen ist es zu verdanken, dass 1989 in Deutschland der erste Lehrstuhl für Pflege errichtet werden konnte. 2001 gab es bereits 40 pflegeorientierte Studiengänge, in denen Pflegekräfte ein Hochschuldiplom erwerben können und unter anderem lernen, mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden Sachverhalte zu ergründen. Von Anfang an wurden sehr hohe Erwartungen und Hoffnungen in Pflegewissenschaft und - forschung gesetzt, vor allem von Kollegen/Kolleginnen an den Pflegeschulen. Auch ich habe mir in den ersten Jahren meiner Tätigkeit als Lehrerin für Pflegeberufe und stv. Leiterin einer Krankenpflegeschule (1979-1985) oft gewünscht, die Fächer studiert zu haben, die ich unterrichten sollte. Im Unterschied zu einem Lehramtsstudium an den Hochschulen, bei dem ein tiefgehendes Verständnis für die Fachinhalte vermittelt wird, lernten wir in unserer Weiterbildung an der sog. Pflegehochschule lediglich, Themen selbstständig zu erarbeiten und didaktisch-pädagogisch wirkungsvoll zu präsentieren. Folglich musste man vor jedem Unterricht mit Hilfe vorhandener Lehrbücher und Fachzeitschriften für sich selbst zunächst einmal eine sichere inhaltliche Grundlage erarbeiten, wenn man sich nicht vor der Klasse blamieren wollte. Das war nicht nur sehr zeitintensiv, zumindest am Anfang dieser Laufbahn, sondern nicht selten auch unbefriedigend, da man in der Fachliteratur häufig auf Angaben stieß, die sich logisch kaum erklären ließen, geschweige denn, dass man auf Forschungsergebnisse
Krankenpflegeunterricht blieb einem nichts anderes übrig, als auf eigene Faust zu versuchen eine schlüssige Erklärung zu finden, oder, was wohl die üblichere Haltung war, kritische SchülerInnen mit dem Hinweis abzuspeisen: "So steht es nun mal im Buch, und daran sollten wir uns halten." Mir persönlich ist dieser Spruch zwar nie über die Lippen gekommen, trotzdem habe auch ich damals Pflegemaßnahmen empfohlen, die heute niemand mehr empfehlen würde. An erster Stelle sei hier die von Mitte der siebziger bis Mitte der achtziger Jahre propagierte Eis- und Fönbehandlung zur Dekubitusprophylaxe genannt. Wer auch immer diese Idee in die Welt gesetzt hatte, der Sinn dieser Maßnahme leuchtete ein - schließlich kennt ja jeder die durchblutungssteigernde Wirkung durch wechselweises kalt-warmes Duschen. Hätte man jedoch auf die Patienten gehört, die regelmäßig vor Schmerzen jammerten, wenn der Eiswürfel ein bereits mangeldurchblutetes Hautareal berührte, hätte man diese Maßnahme von vorne herein ablehnen müssen. In solchen Fällen, d. h. wenn eine regelmäßig durchzuführende Prophylaxemaßnahme schmerzhaft ist, sollte man an der positiven Wirkung grundsätzlich zweifeln und sie nicht so lange fortsetzen, bis die Schädlichkeit der Maßnahme durch Studien belegt werden kann. Dies setzt jedoch voraus, dass Pflegekräfte über ein sicheres Urteilsvermögen und genügend Fachkompetenz verfügen, um ihre Zweifel anmelden, begründen und auf Abänderung des allgemein anerkannten Standards hinwirken zu können. Man bedenke, die Eis- und Fön Methode hatte damals einen vergleichbaren Stellenwert wie die Nortonskala in den neunziger Jahren und der nationale Expertenstandard Dekubitusprophylaxe heute hat (haben sollte).
Vor diesem Hintergrund ist Pflegeforschung, sowie ein Hochschulstudium für bestimmte Leitungskräfte in der Pflege grundsätzlich zu befürworten. Meine nachfolgend ausgeführte Kritik richtet sich nicht gegen Forschung und Wissenschaft im eigentlichen Sinne, sondern gegen Begleiterscheinungen, die dem Patienten schaden, das Pflegepersonal verunsichern und zusätzlich belasten, den Blick für größere Zusammenhänge und sinnvolle Prioritäten verschleiern sowie Zeit und Finanzen vergeuden. Risiken und Nebenwirkungen
Der Anspruch auf evidenzbasierte Pflege birgt die Gefahr von Fehlgewichtung und falscher Prioritätensetzung. Selbstverständlich sollten die durch wissenschaftliche Arbeit gewonnenen Erkenntnisse in der Pflege Berücksichtigung finden. Evidenzbasierte Pflege dürfte jedoch allenfalls als Ziel verstanden werden und nicht dahingehend, dass die noch nicht erforschten Pflegeinhalte in der heute erfahrenen Weise vernachlässigt werden. Tatsächlich lässt sich sowohl in der Ausbildung als auch Praxis beobachten, dass ein paar wenigen Themen/Tätigkeiten unverhältnismäßig viel Raum eingeräumt wird, zu Lasten der Zeit und Aufmerksamkeit für alles andere. Bedenkt man alleine den Schulungsaufwand, der betrieben wird oder notwendig wäre, um die Anforderungen erfüllen zu können, die sich aus jedem einzelnen Expertenstandard für Krankenhäuser, Heime und Pflegedienste ergeben, dürfte für anderes kaum noch Zeit und Geld übrig bleiben. Einrichtungen, die ihre Mitarbeiter zum Beispiel trimmen, in erster Linie darauf zu achten, dass nur bloß kein Dekubitus entsteht, werden mit Sicherheit weniger Dekubitusfälle zählen als andere. Vergleichbar mit einem Fahrlehrer, der seine Schüler trimmen würde, vor allem eine bestimmte Vorfahrtsregel zu beachten, weil der Prüfer darauf am meisten Wert legt. Hier stünde zu erwarten, dass die so ausgebildeten Autofahrer seltener einen Unfall haben, der auf Missachtung dieser Vorfahrtsregel beruht, insgesamt jedoch häufiger in Unfälle verwickelt wären, da sie auf andere Gefahren verhältnismäßig schlecht vorbereitet wurden. Bezogen auf die Pflege hat der Anspruch auf Nützlichkeitsnachweis (Evidenzbasierung) für Pflegemaßnahmen, sowie die Tatsache, dass die Pflegewissenschaft hier erst ganz am Anfang steht, eine Prioritäteneinengung und -verlagerung ausgelöst, die von der Gesamtproblematik ablenkt und diese eher noch verstärkt. Welchen Sinn macht es, diesen Anspruch zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt zu stellen? Nicht einmal 10 von 1000 Maßnahmen, die täglich im Bereich der Pflege erbracht werden, erfüllen die geforderten wissenschaftlichen Kriterien. Pflegewissenschaft kann darauf hinarbeiten, dem Ziel "evidenzbasierte Pflege" jedes Jahr ein Stück näher zu kommen. Doch dies darf nicht dazu führen, dass die noch nicht erforschten Pflegetätigkeiten keine angemessene Würdigung und finanzielle Förderung erfahren, sondern nunmehr alles in die Forschung und Verwissenschaftlichung der Pflege gesteckt wird. Verstärkung des Bürokratismus durch Einführung wissenschaftlicher Methoden. Der Bürokratismus in der Pflege wächst sich mehr und mehr zu einem Problem aus. Trotz EDV Unterstützung hat es nach meiner Beobachtung in den letzten 20 Jahren eine Vervielfachung des Dokumentationsaufkommens gegeben und dies nicht zuletzt ausgelöst durch die Einführung pflegewissenschaftlicher Methoden und Standards. An erster Stelle betrifft dies das seit Mitte der achtziger Jahre bundesweit favorisierte Pflegeplanungsmodell nach Nancy Roper et.al., sowie alle modifizierten Formen (ATL/AEDL etc.). Zugleich handelt es sich hierbei um eine der ersten nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelte Methode, die Einzug in alle Pflegebereiche auf deutschsprachigem Boden gehalten hat und für die meisten inzwischen kaum noch wegzudenken sein dürfte. In mehreren Veröffentlichungen habe ich auf diese Problematik aufmerksam zu machen versucht. Jedoch
aufgrund der allgemeinen Wissenschaftsbegeisterung wollte man nicht wahrhaben, dass der zur sinngemäßen Bedienung dieses Modells erforderliche Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen steht, der damit bestenfalls erreicht werden kann. Außerdem hat die Orientierung an diesem Modell den noch größeren Nachteil, dass Pflegende verlernen, klare Prioritäten zu setzen. So lernen sie nicht, danach zu fragen, wie Probleme zusammenhängen: was das Eine mit dem Anderen zu tun hat und wo man ansetzen müsste, um das Gesamtbild verbessern zu helfen. Vielmehr lernen sie, Problembereiche isoliert zu betrachten, Symptome zu kategorisieren, d.h. einer bestimmten ATL/AEDL zuzuordnen, und an Hand der so erstellten Checkliste nacheinander abzuarbeiten. Sie werden an diesem Modell trainiert zu analysieren. In der Praxis ist jedoch eher die umgekehrte Fähigkeit gefragt. Wie beim Autofahrer, hängt hier vieles davon ab, ob die Pflegekraft eine Gefahr rechtzeitig wahrnimmt, richtig einschätzt und spontan die richtigen Entscheidungen trifft. Da bleibt meist keine Zeit, erst einmal per Checkliste Art und Ausmaß der Gefährdung ausfindig zu machen, beziehungsweise systematisch zu ermittlen in welchen Bereichen Defizite oder Ressourcen bestehen. So schnell kann man eine Planung nicht anpassen, wie sich Situationen ändern können. Viele mühevoll erstellen ATL-Pflegepläne sind bei der heutigen Vorgehensweise am nächsten Tag bereits hinfällig. Heute, nach mehr als 15 Jahren praktischer Erfahrung mit der modellgemäßen Pflegeplanung und Dokumentation, ist man von ganzheitlicher Pflege, die man mit Hilfe dieses Modells sicher zu stellen hoffte, weiter entfernt als zuvor. Auch laut MDK Bericht weisen Pflegeplanung und -dokumentation mit die größten Mängel auf. Trotzdem kümmern sich unsere Pflegewissenschaftler um dieses Thema überhaupt nicht. Sie denken nicht einmal daran, den tatsächlichen praktischen Nutzen dieses Modells zu evaluieren, sondern verweisen auf die Forschungsarbeit von Monika Krohwinkel - die eigens zum Zwecke durchgeführt wurde, die Nützlichkeit des modellgemäßen Pflegeprozesses zu beweisen. Eine Untersuchung verschiedener Ansätze und Methoden, bei der Aufwand und Ergebnis verglichen worden wären, liegt nicht vor. Die gleiche Kritik muss an den sog. Expertenstandards geübt werden, insbesondere am Expertenstandard Dekubitusprophylaxe, der im Mai 2000 verabschiedet wurde. Sowohl Form als auch der Inhalt dieses Standards machen deutlich, dass das wissenschaftliche Format wichtiger genommen wird, als Praktikabilität. Seit dieser Standard bindend ist, wird die Entscheidung über Art und Umfang der eigentlichen Prophylaxemaßnahmen mehr denn je den Pflegepraktikern überantwortet. Von diesen wird z.B. erwartet, bei gefährdeten Patienten/Bewohnern mittels einer von Wissenschaftlern entwickelten Skala systematisch zu ermitteln, ob eine Gefährdung vorliegt und wie hoch das Risiko ist. Im Weiteren erfahren Pflegekräfte jedoch nicht, welche konkreten Maßnahmen bei welchem Risiko angezeigt sind. Per Expertenstandard Dekubitusprophylaxe werden Krankenhäuser, Heime und ambulante Pflegedienste zu einem regelmäßigen Dokumentationsaufwand verpflichtet, der allenfalls dann Sinn machen würde, wenn sich daraus bestimmte Maßnahmen ableiten ließen, deren Wert durch Untersuchungen belegt werden kann. Zu Ende gedacht, gipfelt dieser Prophylaxestandard in der Frage: Kann man Pflegedienste für die Entstehung eines Dekubitus überhaupt verantwortlich machen, da nicht einmal die Wissenschaft der Praxis ungefähr sagen kann, in welchen Fällen, welche Lagerungsintervalle, Matratze oder Spezialbetten besser geeignet wären als andere? Während die für den Expertenstandard Verantwortlichen in dieser Hinsicht alles ins freie Ermessen stellen, versuchen sie unter dem Begriff Mikrobewegungen, eine neue Art von Dekubitusprophylaxemaßnahmen einzuführen. Wobei auch diese Empfehlung, die entscheidende Frage zur konkreten Durchführung unbeantwortet lässt, geschweige denn, dass es bereits einen Nützlichkeitsnachweis für diese interessante neue Idee geben würde. Und solch ein Werk wird dann als evidenzbasierter Standard, ja geradezu als Meilenstein in der deutschen Pflegewissenschaft gefeiert. So habe ich mir Pflegewissenschaft gerade nicht vorgestellt. Nach der Erfahrung mit der unkritischen Übernahme und Beibehaltung des ATL/AEDL-Modells, sowie angesichts Inhalt
und Gestaltung der Expertenstandards hat sich meine Erwartungshaltung an die hierzulande praktizierte Pflegewissenschaft eher ins Gegenteil verkehrt. Expertenstandards in der heute verfassten Form garantieren hauptsächlich eines, nämlich einen höheren Schreibaufwand, verbunden mit einer Verkomplizierung von Administration und Handhabung. Verunsicherung der persönlichen Urteilsfähigkeit durch die Wissenschaft In unserer wissenschaftsgläubigen Zeit ist der gesunde Menschenverstand nicht mehr gefragt, vielmehr bedarf es für alles und jedes methodisch standardisierter wissenschaftlicher Untersuchungen. Maßnahmen, deren Wert jeder mit bloßen Augen erkennen kann sowie bislang unbestrittenes Erfahrungswissen, werden durch den Anspruch auf Evidenzbasiertheit in einer geradezu verantwortungslosen Weise verunsichert. Da derzeit bestenfalls 1 Prozent aller in Frage kommenden und täglich praktizierten Pflegemaßnahmen auf wissenschaftlichem Fundament steht, betrifft die Verunsicherung etwa 99 Prozent aller Pflegeaufgaben. Das heißt 99 Prozent der Pflegeleistungen, erfüllen nicht die Kriterien wissenschaftlicher Seriosität und werden entsprechend geringschätzig behandelt. Würde man diesen Anspruch wörtlich nehmen und in der Pflege tatsächlich nur noch die Tätigkeiten verrichten, die auf einem gesicherten wissenschaftlichen Fundament stehen, müssten Pflegekräfte für die nächsten 50 Jahre die Hände in den Schoß legen, denn solange wird es sicherlich noch dauern, bis die Pflegeforschung einen Grundstock an evidenzbasierten Standards entwickelt haben kann, der einigermaßen handlungsfähig macht. Allerdings, wenn
Dekubitusprophylaxestandard, wird die nachfolgende Pflege-Generation immer noch handlungsunfähig sein. Zum Glück nehmen die Praktiker relativ wenig Anteil an dem, was über ihre Köpfe hinweg geplant wird. Man regt sich nicht einmal mehr darüber auf, sondern versucht wie bisher so gut wie irgend möglich über die Runden zu kommen und trotz wachsender Anforderungen den Patienten/Bewohnern einigermaßen gerecht zu werden. Manche fügen sich fatalistisch im Sinne von: "Ich habe nur zwei Hände und was damit in den 7 Stunden einer Dienstzeit geschafft werden kann, dass schaffe ich. Wenn die 'da oben' mehr Wert darauf legen, dass ich anstatt zu pflegen, jede Maßnahme schriftlich vorplane und nach der Durchführung abzeichne, dann tu ich das halt. Es ist ja schließlich egal, wofür ich mein Geld bekomme. Hauptsache, das Betriebsklima stimmt und es kommt nicht andauernd jemand, der sich beschwert." Niemand hat etwas dagegen, wenn Pflegewissenschaft darauf hin arbeitet, den Prozentsatz des Erforschten zu erhöhen. Zahlreiche fragwürdige Praktiken könnte ich auflisten, zu denen sich jeder in der Pflege Klarheit durch eine Studie wünschen würde. Doch anstatt sich damit zu befassen, werden mitunter Dinge erforscht, die so unstrittig sind, wie das Aufspannen eines Regenschirms im Regen. Als Beispiel sei hier eine in 2004 in Amerika durchgeführte Studie genannt, in der die Nützlichkeit von Spaziergängen für Demenzkranke untersucht wurde. Ergebnis: Demenzkranke, mit denen täglich jemand spazieren ging, zeigten sowohl in den kognitiven als auch seelischen und körperlichen Fähigkeiten bessere Werte als jene, die kaum vor die Tür kamen. Wen wundert eine solche Erkenntnis? Ist es nicht eher beschämend, den Wert derartiger Selbstverständlichkeiten, die jeder Laie durch bloßes Beobachten leicht feststellen könnte, wissenschaftlich nachweisen zu müssen, weil z.B. "spazieren gehen" nur auf diese Weise vielleicht eine Chance hat, in den Katalog anerkannter und abrechnungsfähiger Leistungen aufgenommen zu werden?
Mangelhafte Umsetzung hilfreicher wissenschaftlicher Erkenntnisse Doch wer denkt, die wissenschaftliche Bestätigung einer solchen Binsenweisheit würde dazu führen, Alzheimerpatienten künftig 'tägliches Spazieren gehen in Begleitung' zu verordnen, der dürfte enttäuscht werden. Nach wie vor setzen die federführenden Alzheimerexperten auf Medikamente, die einen Aufschub bestimmter Symptome versprechen. Obschon es auch hier inzwischen seriöse, von den direkten Nutznießern unabhängige Studien gibt, welche die von den Pharmafirmen ermittelte Wirksamkeit der heute üblichen Alzheimermedikamente in Frage stellen, käme wohl kaum ein Arzt auf die Idee, Spaziergänge statt Medikamente anzuordnen. Weiterhin werden Medikamente wie Aricept®, Exelon® und Reminyl® verschrieben. In der BRD wurden 2003 rund 70 Millionen Euro alleine für diese drei Präparate ausgegeben. 70 Millionen Euro für Medikamente, deren Wirkung zunehmend umstritten ist, hingegen schwerwiegende, behandlungsbedürftige Nebenwirkungen regelmäßig auftreten. Das Ergebnis einer 2004 beendeten Aricept-Studie, die an der Universität Hamburg-Eppendorf durchgeführt wurde, kommentiert einer der Autoren: "Meiner Oma würde ich dieses Medikament nicht geben." Würde dieses Geld für eine Aufstockung des Personals in der Dementenbetreuung eingesetzt, wäre sicherlich allen mehr geholfen (mindestens 35.000 Vollzeitstellen ließen sich alleine mit diesem Betrag finanzieren). Eine solche Konsequenz kann jedoch nicht erwartet werden, solange es keine Instanz gibt, die zuständig wäre dafür zu sorgen, dass die aus wissenschaftlichen Studien gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich nutzbringend umgesetzt werden. Lediglich veröffentlich werden diese, und das selten in einer Weise, die den eigentlichen Nutznießer erreicht. Wenn schon so viel Wert auf evidenzbasierte Pflege gelegt wird, sollte man wenigstens erwarten, dass neue Erkenntnisse, die mit wissenschaftlichen Methoden gewonnen wurden, angemessene Berücksichtigung finden. So liegt zwischenzeitlich eine ebenfalls von deutschen Wissenschaftlern durchgeführte Untersuchung der Ursachen für Dekubitusgefahr vor, in der ruhigstellende Medikamente erstmals deutlich als Risiko hervorgetreten sind, hingegen sich der Einfluss von Ernährungszustand und Inkontinenz nicht gezeigt hat. Außerdem liegt seit kurzem das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung der Effizienz von Einschätzskalen zur Früherkennung der Dekubitusgefahr vor. Fazit der deutschen Pflegewissenschaftlerin, Gabriele Schlömer, die diese Untersuchung an der Uni Hamburg geleitet hat: "Es ist unwahrscheinlich, dass die Instrumente beim Einsatz in einem Programm zum Risikofaktorenscreening auf Dekubitus effektiv sind. (.) Deutlich wird die Testqualität bei der Betrachtung absoluter Zahlen (26): von 100 getesteten Personen bekamen 10 Patienten einen Dekubitus, 3 wurden aufgrund des Testes richtig vorhergesagt und 13 falsch. 7 Risikopatienten, die einen Dekubitus entwickelten, wurden durch den Test jedoch nicht identifiziert, so dass die Dekubitusrate durch den Einsatz präventiver Maßnahmen in der identifizierten Risikopopulation bzw. durch Unterlassen dieser in der Gruppe mit geringem Risiko kaum zu reduzieren ist." Ob und wann daraufhin eine Aktualisierung des 2000 verabschiedete Expertenstandard Dekubitusprophylaxe vorgenommen wird, bleibt abzuwarten. Aktualisierung von Expertenstandards ist leichter gesagt als getan Überhaupt scheint die Aktualisierung von Expertenstandards ein bislang noch kaum bedachtes Thema zu sein. Man darf sich dies auch nicht so leicht vorstellen. Während Sie als Leiter einer Einrichtung oder ich als Autor von Standardempfehlungen, innerhalb von wenigen Tagen Standardaktualisierungen vornehmen können, kann ein Expertenstandard nicht einfach per Gemeinschaftsbeschluss abgeändert werden. Schließlich bedarf auch die Aktualisierung von evidenzbasierten Standards einer wissenschaftlich fundierten Vorgehensweise. Außerdem müsste zuvor eine systematische Evaluation (Ergebnissicherung
der Praxistauglichkeit) vorgenommen werden, welche ebenfalls wissenschaftlichen Kautelen entsprechen muss. Das kostet vergleichsweise sehr viel Zeit, Kraft und Geld. Statt Verunsicherung, Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit stärken Politiker, wie alle in Führungsverantwortung stehende Personen, die sich von der Wissenschaft diktieren lassen, was notwendig und geboten ist, verlieren vor allem eines, nämlich das Vertrauen in das eigene Urteilsvermögen. Fachkompetenz auf einem möglichst aktuellen Wissenstand, verbunden mit der Fähigkeit aus dem Augenschein und der Erfahrung heraus intuitiv zu erkennen, was nützlich oder schädlich ist, sind und bleiben die wichtigsten Vorraussetzungen, um komplexe Situationen überblicken und sicher handhaben zu können. Wissenschaftler können und sollen Sachverhalte ergründen, die durch reines Beobachten und gedankliches Verknüpfen schwer zu erfassen sind, wie z.B. die Faktoren Zeit und Druck bei der Entstehung eines Dekubitus. Dazu bedarf es exakter Messungen unter den verschiedensten Bedingungen. "Praktiker" sollten die so gewonnenen Kenntnisse nutzen und dafür sorgen, dass diesen in der Praxis entsprochen werden kann. Derzeit wird die Pflegewissenschaft jedoch als eine über alles gestellte/stehende Kompetenz erachtet, nicht zuletzt von der Politik. Politisch Verantwortliche beziehen weniger denn je die in der Praxis stehenden Pflegekräfte ein, sondern lassen sich überwiegend nur noch von Pflegeakademiker/innen beraten und informieren. Auch die Verbandsfunktionäre/innen der führenden Pflegeorganisationen unterstützten bislang unkritisch alles, was pflegewissenschaftlich geboten erscheint. Fazit Damit dürfte wohl eines der kostspieligsten Kapitel in der Geschichte der Pflege geschrieben werden, in dem es eher zur völligen Abspaltung von Praxis und Theorie kommen wird, als dass eine Annäherung erwartet werden kann. Zu Fordern wäre vor allem ein regelmäßiger Kosten-Nutzen-Vergleich und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei der Verteilung der Mittel. Pflegewissenschaft sollte in erster Linie dazu beitragen, dass die Pflegebedürftigkeitsrate abnimmt und sich die Situation für Pflegebedürftige wie Pflegende verbessert. Nach einem Aufwärtstrend in den achtziger Jahren, lässt sich seit etwa Mitte der neunziger, eine zunehmende Verschlechterung der Situation beobachten. Der Kosten-Leistungsdruck wächst, Anspannung und Unzufriedenheit unter den Pflegenden ebenfalls, die Verweildauer im Beruf sinkt, während auf der anderen Seite zugleich Art und Ausmaß der Pflegebedürftigkeit immer dramatischere Formen annimmt. Diese Problematik ließe sich am ehesten mit Hilfe praktikabler Konzepte lösen. Doch pragmatisches Denken ist zur Zeit nicht gefragt. Alternativkonzepte die von Pragmatikern entwickelt wurden, haben weniger Aussicht gefördert zu werden, als von Wissenschaftlern erdachte Modellprojekte. Die Kosten für die Implementierung wissenschaftlich empfohlener Standards müssen nicht einmal kalkuliert werden, wie die Praxis damit klar kommt ist deren Problem, dafür hat sich von wissenschaftlicher Seite bislang noch niemand interessiert. Literaturangaben (werden auf Wunsch nachgereicht)
B BLECAUTE uma revista de literatura e artes Campina Grande-PB, Ano 2, n. 7 , p. 51 “– QUEM PUSERA O DISCO PARA TOCAR?” NINGUÉM REPAROU: mas no dia em que abandonaram definitivamente a casa, a radiola vermelha tocava o último sucesso de Roberto Carlos.” Durante o trajeto até à pista de asfalto, ela seguia, pensando se alguém se lembraria de desligar a radiola e guardar
Government of Pakistan Finance Department Gender Responsive Budgeting Initiative Gender Budget Statement (Federal) 2006-2007 Education – Health – Population Welfare INTRODUCTION One of the priority tools for Gender Responsive Budgeting (GRB) is a Gender Budget Statement (GBS). A Gender Budget Statement is a summary document published by a Finance Division/Depar